Mit einfachen Stahlkonstruktionen lassen sich zerstörte Korallenriffe wieder aufbauen. Gegen die weltweite Korallenbleiche hilft die Methode nicht – noch nicht!
Wann immer Industrieunternehmen in ökologische Projekte investieren, schwingt der Vorwurf des Greenwashings mit: Ist das Unterfangen wirklich nachhaltig und sinnvoll, oder dient es vor allem der eigenen PR als gutes Unternehmen? „Beim Mars Coral Reef Restauration Program in Indonesien habe ich diesen Verdacht nicht“, sagt die Meeresbiologin Ines Lange von der University Exeter. Das Projekt des Schokoriegel- und Tierfutter-Multis Mars zur Wiederherstellung von Korallenriffen existiert bereits seit rund zehn Jahren, aber erst seit ein paar Jahren berichtet das Unternehmen darüber. Nachhaltigkeitswoche 2024 Kasten
Lange und andere Wissenschaftler haben untersucht, wie effizient und nachhaltig die Riff-Restaurierung wirklich ist. In Indonesien gingen viele Fischer jahrzehntelang statt mit Netzen, Angeln oder Harpunen mit Dynamit auf Beutezug und haben dabei ganze Riffe regelrecht zerbombt. Von der einst bunten Pracht aus Korallen und ihren Bewohnern blieben nur graue Steinwüsten übrig. „Auf diesem Schutt konnten sich keine neuen Korallen mehr ansiedeln“, sagt Lange. Die Flächen blieben Einöden.
Die stählernen Reef Stars bekommen einen Überzug aus Korallensand, auf dem Korallen gut Halt finden
© Ocean Culture Life
Um sie wiederaufzuforsten, entwickelte Mars eine sechseckige, etwa einen halben Meter große Konstruktion aus Stahl, den sogenannten Reef Star. Einheimische bestreichen die in Massen industriell hergestellten Stahlsterne mit einem klebrigen Harz und streuen anschließend Korallensand von ihren Stränden darüber. So bekommen die Sechsecke eine griffige Oberfläche, auf der neue Korallen gut Halt finden. Bevor die Reef Stars auf den verwüsteten Flächen plaziert werden, befestigen Helfer auf ihnen kleine Korallenstückchen, die von intakten Riffen aus der Umgebung stammen, ohne diese zu schädigen.
Nach nur vier Jahren sind die neuen Korallenriffe wieder voll aktiv
Mit den so präparierten Sechsecken bedecken Taucher oder Schnorchler innerhalb von wenigen Tagen flächendeckend fußballfeldgroße Areale auf dem ramponierten Meeresboden. Ines Lange war überrascht und begeistert, wie gut die Riffreparatur in diesem großen Maßstab funktioniert. Gemeinsam mit Forscherkollegen untersuchte die Biologin, wie stark die Äste der aufgepflanzten Korallenstücke nach ein, zwei oder vier Jahren wachsen. Gleichzeitig bestimmten sie, wie groß der (natürliche) Abbau von Korallen durch Seeigel und andere Tiere ist. Die so ermittelte „Kalkbindungsrate“ der restaurierten Unterwasserlandschaften entsprach nach nur vier Jahren der von gesunden „Altriffen“.
Mit Kabelbindern befestigen Freiwillige kleine Korallenästchen auf den präparierten Reef Stars
© Ocean Culture Life
„Die wiederhergestellten Riffe bedeuten im Gegensatz zu den Schutthalden einen echten Unterschied für das Ökosystem und auch für die Menschen vor Ort“, sagt Lange. Zuvor kannte sie nur kleine, lokale Projekte zur Unterwasser-Wiederaufforstung, beispielsweise von Tauchcentern: „Die hängen ein paar kleine Korallenfragmente ins Wasser und nennen das dann Restaurierung.“
Mit den Korallen kehrten auch die Fische, Schnecken und andere wirbellose Tiere zurück auf die einst kahlen Flächen. „Vor der Restaurierung verirrten sich nur selten Fische dorthin, danach hat sich die Fischmasse verdoppelt bis verdreifacht“, so Lange. Mit der ursprünglichen Vielfalt können die sekundären Unterwasserlandschaften dennoch nicht ganz mithalten. Das hat vor allem praktische Gründe: Die Äste von verzweigten Geweihkorallen lassen sich leichter auf der Stahlkonstruktionen befestigen als die von großflächigen Tischkorallen.
Taucher platziere die Reef Stars dicht an dicht auf einem durch Dynamit-Fischerei zerstörten Riff
© Ocean Culture Life
Aber, gibt es erst einmal eine neue Basis für ein Riff, kommen mit der Zeit vermutlich auch andere Arten dazu, hoffen die Forscher und Projektbeteiligten. Schließlich entlassen Korallen zur Reproduktion Millionen Eier und Spermien, und die daraus entstandenen Larven können mit den Strömungen über hunderte Meter durchs Meer treiben.
Die indonesische Regierung unterstützt das Mars-Projekt. Denn Korallenriffe bieten nicht nur die wirtschaftliche Grundlage für Fischerei, sie erfüllen auch eine wichtige Funktion als vorgelagerte Wellenbrecher und tragen damit zum Küstenschutz der Inseln bei. Viele Einheimische beteiligen sich an dem Projekt, sei es durch die Produktion der Riff-Sterne oder deren Verteilung. Und sie profitieren als Fischer davon.
Die Dynamitfischerei ist dennoch nicht ganz verschwunden, obwohl sie in Indonesien verboten ist. Immer wieder hörten die Forscher bei ihren Tauchgängen Explosionen. Da die lokale Bevölkerung in das Wiederaufbauprojekt integriert ist, werden die Menschen in Zukunft aber mehr auf den Schutz ihrer Riffe achten, hofft Lange. Mittlerweile geht das Projekt über Indonesien hinaus. Mehr als 90.000 Reef Stars wurden an 40 Standorten in elf Ländern im Meer versenkt, heißt es auf der Website von Mars Coral Reef Restoration.
Korallenbleiche bleibt ein Problem
Trotzdem wird man mit dieser Methode nicht alle Korallenriffe der Welt retten können. Das weiß auch die Meeresbiologin. Denn mechanisch zerstörte Unterwasserlandschaften rund um kleine Inseln lassen sich leichter reparieren als Riffe, die der Klimawandel dahingerafft hat. Am Great Barrier Reef vor der Küste Australiens und auch in vielen anderen Meeresregionen stoßen Korallen im überhitzten Wasser die Mikroalgen ab, die normalerweise in Symbiose mit ihnen leben. Damit verlieren sie nicht nur ihre hübschen Farben, sondern auch einen wesentlichen Teil ihrer Nahrungsgrundlage. Denn: Im flachen Wasser betreiben die Algen Photosynthese und versorgen die Korallen normalerweise mit Kohlenhydraten.
Ohne diese pflanzliche Nahrungsergänzung (Korallenpolypen fangen auch tierisches Plankton) sterben die Riffbildner nach nur wenigen Wochen oder Monaten ab. Dennoch sieht die Meeresbiologin auch dort einen Hoffnungsschimmer. „Wenn wir den Klimawandel irgendwie in den Griff bekommen, können wir mit ähnlichen Methoden wie in Indonesien hoffentlich auch diese Riffe wiederbeleben.“
Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien zuerst im Mai 2024. Im Rahmen der Nachhaltigkeitswoche von RTL Deutschland „Für mehr Leben“ bieten wir ihn erneut an.