Actionfilme drehen sich um sie, in den Nachrichten werden ihre Verwüstungen gezeigt. Tornados gab es immer schon, auch in Baden-Württemberg. Warum haben wir das Gefühl, es werden immer mehr?

Als Jannick Fischer auf den Auslöser drückt und filmt, schält sich der graue Rüssel aus der dichten Wolke heraus und wirbelt über die Baumreihen, die sich in der Nähe von Philippsburg gegen die tosenden Winde stemmen. Mitten im Gewitter bildet sich Anfang Juli ein etwa 80 Meter breiter Tornado aus der Wolke heraus. Ein wackeliges Video des Experten vom Karlsruher Institut für Meteorologie und Klimaforschung zeigt es deutlich. 

„Ich hatte Glück, dass es in der Nähe meines Wohnortes passiert und ich durch die Radarbilder wusste, dass es vielversprechend werden könnte“, erinnert sich Fischer. Ein seltener Fall für seine Region. Denn das Philippsburger Ereignis ist der bislang einzige bestätigte Fall in der langsam zu Ende gehenden Tornado-Saison. 

Solche Bilder verbindet man normalerweise mit den Nachrichten aus den USA, aber mit dem Südwesten? Meteorologen sind weniger überrascht. Tornados seien zwar ein nicht gerade häufiges, aber doch auch ein regelmäßiges Phänomen, sagen sie.

Wie viele Tornados gibt es durchschnittlich in Deutschland?

Mit bislang 32 bestätigten Tornados deutet sich in Deutschland mit Blick auf diese Art von Wirbelsturm ein durchschnittliches Jahr an. Der Mittelwert der vergangenen Jahre liege bei 45, sagt Marcus Beyer, Tornado-Experte beim Deutschen Wetterdienst. Neben den bestätigten Fällen gebe es aber auch noch Verdachtsfälle, die im Frühjahr des Folgejahres von der Tornado-Arbeitsgruppe Deutschland noch einmal näher angeschaut würden. Daher sei es möglich, dass zur derzeitigen Zwischenbilanz noch einige Fälle dazukommen. Die endgültige Zahl der Tornados in diesem Jahr könnte somit leicht über dem Durchschnitt liegen.

In Baden-Württemberg zählten die Meteorologen bislang einen Tornado bei Philippsburg, außerdem elf Verdachtsfälle. Im vergangenen Jahr waren es zwei Tornados in Kusterdingen (Kreis Tübingen) und Friedenweiler (Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald), beide innerhalb von zwei Tagen im Mai. Gezählt wurden obendrein 13 Verdachtsfälle.    

Werden Tornados in Deutschland häufiger?

Wirbelstürme sind in Deutschland keineswegs seltene Ereignisse. Dass immer öfter Tornados bekannt werden, hat aber auch mit dem Internet zu tun. Stürme würden heute etwa einfach mit Smartphones gefilmt, sie würden dokumentiert, die Eindrücke an einen größeren Verteiler weitergereicht. Der Austausch sei erheblich größer geworden, erklärt der DWD. Wegen der Erwärmung der Atmosphäre werden die Tornados eher stärker, nicht aber häufiger. „Es lässt sich in den Zahlen seit 2000 weder eine Zunahme noch eine Abnahme der Tornadozahlen erkennen“, sagt Beyer. 

Ist die Wahrscheinlichkeit dafür in Baden-Württemberg höher oder niedriger?

Hierzulande gibt es anders als in den USA kein typisches Tornado-Gebiet: Wirbelstürme könnten in Deutschland überall auftreten, sagt Marcus Beyer vom DWD. Es gebe zwar Regionen, in denen mehr los sei als in Baden-Württemberg. Tatsächlich komme es aber auch im Südwesten immer wieder zu solchen Ereignissen.

Wie entstehen Tornados?

Wenn feuchtwarme Luft aufsteigt und auf trockene Kaltluft trifft, bilden sich Gewitterwolken. Versetzen Seitenwinde die aufsteigende und sehr feuchte Luft in Rotation, entsteht ein wirbelnder Wolkenschlauch, der immer wieder lautstark die Richtung ändern und dabei Haken zu schlagen scheint. Sobald diese Luftsäule die Erde berührt, spricht man von einem Tornado.

Wie beweist man Tornados?

Oft gibt es Videos oder Fotos von dem Ereignis. Ist das nicht der Fall, müssen die Schäden vor Ort analysiert werden. „Das Schadensmuster bringt dann in aller Regel Gewissheit“, sagt Beyer. Das zeigt auch der Fall in Philippsburg:  Das „Tornado Kartierungs- und Untersuchungsprojekt Deutschland“ führt im Nachhinein detailliert auf, wo der Tornado einen Baum umknickte, wo er Bodenkontakt hatte oder Maispflanzen auf einem Feld umknickte.

Woran erkenne ich, ob es ein Tornado oder ein Orkan ist?

Einen Tornado erkennt man an seinem charakteristischen Wolkenrüssel. Wenn der nicht sichtbare Wirbelwind darunter den Boden berührt, zieht er eine Schneise der Verwüstung nach sich. An dem Rüssel lässt sich aus der Ferne abschätzen, wohin er zieht, man kann ihm ausweichen, indem man quer zu ihm Abstand gewinnt. Befindet man sich bereits in seiner Nähe auf freiem Gelände, sollte man sich möglichst entfernt von Bäumen halten und sich in eine Mulde legen – im Wald oder in Parks werden immer wieder Leute von Ästen erschlagen.

Wie werden Tornados gemessen?

Tornados werden über ihre Windgeschwindigkeiten anhand der sogenannten Fujita-Skala kategorisiert, von F0 bis F5. Um präzisere Angaben zu einzelnen Ereignissen zu machen, gibt es Zwischenstufen wie F1.5. Ein Beispiel: Die Stufe F0 umfasst Tornados mit einer Geschwindigkeit bis zu 116 Stundenkilometern, F2 bis 253 Stundenkilometern und die höchste, F5, betrifft Tornados mit einer Geschwindigkeit zwischen 419 und 512 Kilometern in der Stunde. Solche gibt es sehr selten auch in Baden-Württemberg: Über Pforzheim (Baden-Württemberg) zum Beispiel zog am 10. Juli 1968 ein Tornado mit geschätzten maximalen Windgeschwindigkeiten von fast 400 Stundenkilometern hinweg. 

In Deutschland sind Tornados stärker als Kategorie 3 aber äußerst selten. Der Philippsburger Fall am 3. Juli gehört zur Kategorie F0.   

Wann treten Tornados meistens auf?

Tornados gibt es zu jeder Jahres- und Tageszeit und auf der ganzen Welt, wegen der klimatischen Bedingungen vor allem aber in den USA. Als Hochsaison gelten Frühjahr und Sommer, da die Bedingungen für große Gewitterwolken dann ideal sind. Laut DWD sind Tornados vor allem von nachmittags bis abends möglich. Der Philippsburger Tornado etwa wurde um 20.00 Uhr aufgenommen. Tornados dauern durchschnittlich nur zehn Minuten. Sie können aber auch nur wenige Sekunden oder etwas länger als eine Stunde bestehen. Sie legen meist nur wenige Kilometer zurück und ändern dabei immer wieder ihre Richtung.

Wie verhält man sich bei einem Tornado richtig?

Bei einem Tornado sollte man am besten sofort den Keller oder einen Innenraum wie zum Beispiel Badezimmer aufsuchen. Auf jeden Fall weg vom Fenster, möglichst weit nach innen und unten – Dächer von frei stehenden Häusern können abgerissen, obere Etagen zerstört werden. Selbst Garagentore werden manchmal von Trümmerteilen durchschlagen. Auch das Auto ist kein sicherer Platz in einem Tornado: Problemlos kann es Dutzende Meter in die Höhe gehoben oder von der Straße geweht werden.