Der Einsturz der Carolabrücke stellt auch Experten vor Rätsel. Denn Brücken werden regelmäßig überprüft. Frank Jansen vom Verband Deutscher Ingenieure erklärt, wie das geschieht.

In den frühen Morgenstunden ist ein Teil der Carolabrücke in Dresden eingestürzt. Warum, ist noch unklar. Denn in Deutschland werden Brücken regelmäßig kontrolliert und gewartet. Wie das abläuft, weiß Diplom-Ingenieur Frank Jansen vom Verein Deutscher Ingenieure (VDI).

„Dass der Zustand im Brückenzug C so schlimm ist, dass es zum Einbruch gekommen ist, war nicht vorhersehbar. Man steckt in so einem Bauwerk halt nicht drin“, sagt Holger Kalbe, Abteilungsleiter vom Straßen- und Tiefbauamt Dresden. Teilen Sie diese Einschätzung?

Ja, richtig: Man steckt nicht drin. Die regelmäßigen Überprüfungen nach den anerkannten Regeln der Technik – konkret nach DIN 1076 – haben sicher in Dresden auch stattgefunden.  

Welche Szenarien können Sie sich denn vorstellen beim jetzigen Anblick der Brücke?

Ich bin 500 Kilometer weit weg, von hier aus kann ich keine seriöse Einschätzung abgeben.FS Brückeneinsturz Dresden 13.07

Ein Ingenieur des zuständigen Amtes vermutet Korrosion als mögliche Ursache und verweist auf „massiven Chlorid-Eintrag zu DDR-Zeiten“. Könnten Sie kurz erklären, was Chlorid bewirken könnte?

Chlorid, das bei Tausalzverwendung in das Bauwerk eingetragen wird, kann dazu führen, dass der im Beton verwendete Stahl korrodiert. Allerdings sollten auch solche Schäden bei regelmäßigen Inspektionen auffallen.

Zur Person Frank Jansen VDI

Welche Inspektionsintervalle schlägt der VDI für Brücken in der Bauart der Carolabrücke vor?

Brückeninspektionen sind in der DIN 1076 geregelt. Diese Norm regelt die Prüfung und Überwachung von Ingenieurbauwerken im Zuge von Straßen und Wegen hinsichtlich ihrer Standsicherheit, Verkehrssicherheit und Dauerhaftigkeit. Demnach muss eine einfache Prüfung alle drei Jahre stattfinden. Diese Prüfung beinhaltet eine visuelle Inspektion des Bauwerks, um sichtbare Mängel oder Schäden zu erfassen. Eine Hauptprüfung ist für alle sechs Jahre vorgeschrieben.

Wie sieht die aus?

Diese umfassendere Prüfung ist eine detaillierte Untersuchung des Bauwerks. Sie beinhaltet neben der visuellen Prüfung auch manuelle und teilweise technische Überprüfungen, um den Gesamtzustand und die Standsicherheit zu bewerten. Und bei besonderen Ereignissen wie Unfällen, Naturkatastrophen oder signifikanten Veränderungen am Bauwerk können außerordentliche Prüfungen erforderlich sein.

Hat das Bundesverkehrsministerium in den vergangenen Jahren genug Geld in die Verkehrsinfrastruktur gesteckt?

Sicher wäre mehr Geld zum Erhalt der Infrastruktur in vielerlei Hinsicht hilfreich – den direkten Zusammenhang mit dem Einsturz der Brücke möchte ich hier allerdings explizit nicht herstellen. Ich gehe davon aus, dass die Überprüfungen der Standsicherheit hier nicht eingespart wurden.

Welcher Anteil der Brücken in Deutschland ist nach Ihrer Einschätzung einsturzgefährdet?

Brückeneinstürze in Deutschland sind extrem selten – die relativ engmaschigen Überprüfungen der Standsicherheit führen dazu, dass die gefährdeten Brücken deutlich vor Folgeschäden außer Verkehr genommen werden. Das sieht man aktuell gut am Beispiel der Leverkusener Rheinbrücke.