Verdrießlich kämpft Donald Trump um die Präsidentschaft. Joe Biden dagegen setzt sich fröhlich eine Trump-Kappe auf – selbstironisch und versöhnlich. Das finden sogar Gegner gut.

Was macht eigentlich Joe Biden, 81, Präsident der Vereinigten Staaten? Er steht in einer Feuerwehrwache in Shanksville, Pennsylvania, und grinst über beide Ohren. Auf seinem Kopf thront, wie eine zu klein geratene Riesentomate, eine rote „Trump 2024“-Kappe. Die Zuschauer freuen sich und klatschen.

Passiert das tatsächlich? Der mächtigste Mann der Welt posiert mit dem Käppi des (innen-)politischen Erzfeindes? Was ist da los?

Joe Biden unterstützt Donald Trump

Das Bild des sichtlich amüsierten Demokraten mit Trump-Werbung verbreitete sich natürlich wie ein Lauffeuer. „Biden unterstützt Trump“, twitterten zahllose X-Nutzer im Sekundentakt. Nicht selten in der Pose großer Bierernstigkeit. Schließlich: Fügt sich diese unwahrscheinliche Volte nicht nahtlos ein in diesem an unwahrscheinlichen Volten reichen US-Wahlkampf? 

PAID Bidens neue Wahlkampfrolle 18:32

Vor 61 Tagen, am 13. Juli, überlebte der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump ein Attentat. Alle Experten waren sich danach sicher: Diese Schüsse werden die Wahl zu Trumps Gunsten entscheiden. Nur anderthalb Wochen später, am 21. Juli, zog der demokratische Amtsinhaber Joe Biden seine Kandidatur zurück. Das so gut wie entschiedene Rennen zweier alter Männer bekam einen erfrischenden Tritt in den Hintern und machte aus dem eben noch wahlkämpfenden Staatsoberhaupt die lahmste aller Enten.

Lockerer Typ in alterssteifem Präsidenten

Seitdem genießt Biden, der „freundliche, ältere Herr mit schlechtem Gedächtnis“, Narrenfreiheit. Im Wahlkampf spielt er weiter eine Rolle. Denn das Rennen ist eng, und es gilt noch sehr viele Menschen von den Demokraten zu überzeugen. Wobei: Das Team seiner Nachfolgerin im Wahlkampf, Kamala Harris, ist sich unsicher, ob Bidens Händeschüttel-Einsatz eher nützt oder eher nervt. Unbestritten dagegen ist, dass im alterssteifen Präsidenten immer noch ein lockerer Typ steckt.

„Scranton Joe“ lautet einer seiner vielen Spitznamen – nach seinem Geburtsort Scranton, einer früheren Industriestadt. Viele Jahre seines Politiklebens ist Biden halb kumpelig, halb onkelig durchs Land getourt. Sein Ohr meist nah am Arbeiter, doch er konnte auch immer gut mit Konservativen. Biden war mit seiner freundlichen Art der große Zusammenbringer. Weshalb der „Trump-Hut-Vorfall“ jetzt in Shanksville, vier Autostunden von seinem Geburtstort entfernt, einer dieser Momente war, wofür Joe Biden am meisten gemocht wird. Weil er einfach Joe Biden war.

Die Kappe der Einheit

Die Veranstaltung mit den Feuerwehrleuten fand zum Gedenken an die Terroranschläge vom 11. September statt – ein tieftraumatisches, aber eben auch die Amerikaner verbindendes Ereignis. Auf einem Video ist zu sehen, wie Biden sich neben einem Mann mit Trump-Kappe aufbaut. Sie witzeln über ihr fortgeschrittenes Alter, der Präsident setzt sein Autogramm auf eine seiner Caps, die er dem Republikaner-Anhänger schenken will. Der lässt sich auf den Deal ein, unter der Bedingung, dass Biden wiederum seine Mütze aufsetzt – „im Geiste der Einheit“, wie ihn das Weiße Haus zitiert.

Infobox US-Wahl-NL

Und so kommt es, dass der Demokrat und US-Präsident Joe Biden mit einer roten Trump-Kappe auf dem Kopf breit in die Kameras lacht. Unglücklich drapiert wirkt der Kopfschmuck, weil er darunter noch seine eigene Cap trägt. Ob er wusste, dass diese Bilder um die Welt gehen würden? Vermutlich, der 81-Jährige ist Profi. Werden sie ihm schaden oder nützen? Vielleicht ist das die falsche Frage. 

Denn mit diesem antagonistischen Denken hatte der Versöhner Biden nie etwas am Hut. Und die Leute sehen eh, was sie sehen wollen: seine Fans den spaßigen Alten, die Republikaner den senilen Alten. Jetzt, wo sein Karriereende bevorsteht, hat Biden so wenig zu verlieren, dass er die Amerikaner in einer schweren Stunde an eine ihrer besten Eigenschaften erinnern kann: Selbstironie.

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