Die Europäische Zentralbank (EZB) wird am Donnerstag mit hoher Wahrscheinlichkeit die Zinsen senken. Doch wegen einer technischen Umstellung wird die Zinssenkung anders ausfallen.

Disclaimer Capital

Eine Notenbank hat ihren Job gemacht, wenn sie den Markt nicht mehr überraschen muss. Schließlich wird Geldpolitik heutzutage eher über die Kommunikation als mit unerwarteten geldpolitischen Schritten gesteuert. Erfolgreiches Erwartungsmanagement hat die Europäische Zentralbank (EZB) auch für ihren aktuellen Zinsentscheid betrieben. Quasi niemand am Markt rechnet mit etwas anderem als mit der zweiten Zinssenkung der in Frankfurt beheimateten Euro-Notenbank.

Allerdings haben viele Marktbeobachter einen Beschluss der EZB vom März nicht im Blick, der zu einer etwas anderen Zinssenkung führen wird. Dies gilt übrigens auch für den Autor dieses Beitrages, der durch einen freundlichen Anruf aus Notenbank-Kreisen darauf gestoßen wurde, dass die EZB ab dem heutigen Zinsentscheid und damit ab der kommenden Woche den Zinskorridor ihrer beiden wichtigsten Leitzinsen verringert und damit nicht einfach alle drei Leitzinsen um 25 Basispunkte senken wird.

Einlagensatz bleibt zentral

Auch künftig soll der Einlagensatz der wichtigste Leitzins sein, mit dem der EZB-Rat die Geldpolitik steuern will. Diesen Satz zahlt die EZB für Einlagen, die Banken über Nacht bei der Notenbank parken und die über die Mindestreserve-Vorgaben hinaus gehen. Grund für dieses Vorgehen ist, dass als Folge der Phase ultralockerer Geldpolitik, verbunden mit großvolumigen Anleihekäufen, noch immer sehr viel Liquidität im Bankensystem der Eurozone verfügbar ist. Jedenfalls deutlich mehr als die EZB für nötig befindet, weshalb man auch von Überschussliquidität spricht.

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Aktuell liegt der Einlagensatz bei 3,75 Prozent und bildet damit quasi die Obergrenze für Tagesgeldsätze. Der Einlagensatz hat an Bedeutung den Hauptrefinanzierungssatz abgelöst, der lange als wichtigster Leitzins galt und zu dem Banken sich gegen Hinterlegung von Sicherheiten wie Wertpapieren frische Liquidität bei der EZB besorgen können. Aktuell liegt der Hauptrefinanzierungssatz 50 Basispunkte höher als der Einlagensatz. Ab dem 18. September will die EZB die Spanne auf 15 Basispunkte einengen.

Spanne sinkt auf 15 Basispunkte

Dieser Beschluss hat nun Folgen für den heutigen Zinsentscheid. Unterstellt man, dass die EZB die Zinsen senkt und dies über den Einlagensatz steuert, würde dieser also um 25 Basispunkte auf 3,5 Prozent sinken. Eine Zinssenkung um 50 Basispunkte gilt heute als ausgeschlossen. Mit der Senkung auf 3,5 Prozent würde der Hauptrefinanzierungssatz gemäß der Neuregelung auf 3,65 Prozent sinken, was eine kräftige Zinssenkung bedeuten würde, liegt dieser aktuell doch bei 4,25 Prozent. Außerdem soll, so der EZB-Beschluss von März, die Spitzenrefinanzierungsfazilität als dritter Leitzins weiterhin 25 Basispunkte oberhalb des Hauptrefinanzierungssatzes liegen. Er würde also dann von 4,50 auf 3,90 Prozent senken.

Die EZB will damit bei der Refinanzierung der Banken dem Markt wieder mehr Raum geben. Hintergrund ist, dass bis zur globalen Finanzkrise sich Banken mit Liquiditätsbedarf Geld von Konkurrenten liehen, die zu viel Liquidität hatten. Über den Marktzins hat sich somit die Liquidität zwischen Banken ausgeglichen. Doch mit der Krise und diversen Zusammenbrüchen in der Branche begannen die Institute sich gegenseitig zu misstrauen und liehen sich kein Geld mehr. Seinerzeit war die EZB eingesprungen und hält seither das Bankensystem der Eurozone liquide. Im Zuge der Normalisierung der Geldpolitik soll der Markt nun wieder in den Vordergrund rücken. Ein Beitrag dazu ist die kleinere Spanne zwischen den beiden wichtigen EZB-Zinssätzen.