Sei es die Rückkehr zum Abitur nach neun Jahren an Hamburgs Gymnasien, ein bedingungsloses Grundeinkommen oder Klimaschutz: Für alle Volksbegehren-Themen beginnen Unterschriftensammlungen.
Mit dem Ende der Sommerpause können sich Hamburgs Bürgerinnen und Bürger in den kommenden Wochen gleich bei mehreren Themen engagieren und diese durch ihre Unterschrift unterstützen. Am Dienstag starten die Volksbegehren zur Rückkehr zum Abitur nach neun Jahren an den Gymnasien sowie zu einem bedingungslosen Grundeinkommen. Für das geplante Volksbegehren „Hamburger Zukunftsentscheid“ soll die Unterschriftensammlung in drei Wochen beginnen. Ihnen allen gemein ist, dass die Initiatoren innerhalb von drei Wochen fast 66.000 Unterstützerinnen und Unterstützer finden müssen, um einen Volksentscheid parallel zur Bundestagswahl 2025 durchsetzen zu können. Doch worum geht es bei den einzelnen Initiativen?
„G9 – Mehr Zeit zum Lernen! Bildungsgerechtigkeit HH“
Die Volksinitiative „G9 – Mehr Zeit zum Lernen! Bildungsgerechtigkeit HH“ möchte an den Gymnasien das Abitur nach acht Jahren kippen und wie viele andere Bundesländer zum Abitur nach neun Jahren zurückkehren. Aus deren Sicht führt das Festhalten an G8 unter anderem zu einer Benachteiligung Hamburger Gymnasiasten, weil sie im Gegensatz zu Schülerinnen und Schülern anderer Bundesländer ein Jahr weniger zur Vorbereitung auf das Abitur haben, sich nach dem Abitur aber sowohl national als auch international auf dieselben Studien- und Ausbildungsplätze bewerben. Zudem will die Initiative das 2011 abgeschaffte Sitzenbleiben wieder leichter ermöglichen und das Abschulen von Schülerinnen und Schülern vom Gymnasium auf die Stadtteilschule nicht nur nach der sechsten Klasse, sondern am Ende jedes Schuljahrs bis zur zehnten Klasse zulassen.
Hamburg hatte das achtstufige Gymnasium im Schuljahr 2002/2003 eingeführt, 2010 war dann das Jahr des Doppelabiturs. Zudem gingen die Stadtteilschulen als Ersatz der Haupt- und Realschulen an den Start. In ihnen kann seither das Abitur nach neun Jahren abgelegt werden. Seit 2010 herrscht auch ein sogenannter Schulfrieden, den die Fraktionen von CDU, Grünen, SPD und Linken unterzeichnet und 2019 zusammen mit der FDP-Fraktion in einer Rahmenvereinbarung verlängert hatten. Sie sieht vor, dass an der Schulstruktur bis 2025 nichts verändert wird – unabhängig davon, wer die Regierung stellt.
Die Volksinitiative ist bei Eltern, Schülern und Fachleuten durchaus umstritten. So wird nach Ansicht der Schülerinnen- und Schülerkammer mit einer Rückkehr zu G9 an den Gymnasien die Unterteilung von Gymnasien als Eliteschule und der Stadtteilschulen als Schule „für alle anderen“ vorangetrieben. Die Gemeinnützige Gesellschaft Gesamtschule, welche die Stadtteilschulen vertritt, hofft „dass das Vorhaben der Initiative mit ihrem vom puren Egoismus geleiteten Volksbegehren keinen fruchtbaren Boden findet“. Es ist bereits der zweite Anlauf für eine Rückkehr zum Abitur nach neun Jahren: 2014 war die Initiative „G9-Jetzt-HH“ jedoch beim Volksbegehren gescheitert. Statt der damals notwendigen 63.000 Unterschriften waren nur etwa 45.000 zusammengekommen.
„Hamburg testet Grundeinkommen„
Die Volksinitiative „Hamburg testet Grundeinkommen“ will in einem zweiten Anlauf einen Modellversuch zur Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens im Wege der Volksgesetzgebung durchsetzen. Ziel ist es, in einem wissenschaftlichen Verfahren Wirkung, Akzeptanz und Umsetzbarkeit von Varianten des Grundeinkommens zu testen. Anfang 2020 hatten die Initiatoren schon einmal die notwendige Zahl von 10.000 gültigen Unterschriften zusammenbekommen. Ein anschließend geplantes Volksbegehren war jedoch im Sommer 2023 vom Hamburgischen Verfassungsgericht auf Antrag des rot-grünen Senats gestoppt worden. Die Initiatoren hatten ihren Gesetzentwurf daraufhin überarbeitet und die neue Initiative gestartet.
Wie auch bei der Volksinitiative zur Rückkehr zum Abitur nach neun Jahren an Gymnasien sind die rot-grüne Koalition und die zuständigen Behörden wenig begeistert von der Idee des Grundeinkommens. Für die SPD ist sie eine Mogelpackung und nur eine leicht abgewandelte Variante des Bürgergelds. Außerdem gebe es bereits zahlreiche wissenschaftliche Studien.
„Hamburger Zukunftsentscheid“
Die Volksinitiative „Hamburger Zukunftsentscheid“ – sie will vom 28. September an Unterschriften für ihr Volksbegehren sammeln – möchte erreichen, dass Hamburg nicht erst 2045, sondern schon 2040 klimaneutral wird. Dazu soll das Hamburgische Klimaschutzgesetz geändert und unter anderem jährliche Zwischenziele verabredet sowie durch ein regelmäßiges Monitoring überprüft werden. So sieht der Plan jährliche Obergrenzen für den CO2-Ausstoß vor. Konkrete Ziele für einzelne Sektoren enthält der Entwurf aber nicht – diese sollen in der Bürgerschaft entschieden und im Klimaplan der Stadt verankert werden.
Auch Sozialverträglichkeit ist ein Anliegen der Initiative, die Transformation dürfe nicht auf Kosten der Ärmsten stattfinden. Angestoßen wurde die Volksinitiative von der Klimabewegung Fridays for Future, unterstützt wird sie unter anderem vom Umweltverband Nabu, der Gewerkschaft Verdi und dem Mieterverein Hamburg.
„Hamburg Werbefrei“
Die Volksinitiative „Hamburg werbefrei“ will Außenwerbung verringern und digitale Reklamemonitore verbieten. Dank eines Urteils des Hamburgischen Verfassungsgerichts, das den rot-grünen Senat in die Schranken gewiesen hat, ist sie dem etwas nähergekommen – und dennoch hat es diese Initiative voraussichtlich deutlich schwerer als alle anderen. Ursprünglich zielte auch sie auf einen möglichen Volksentscheid parallel zur Bundestagswahl im September nächsten Jahres. Dies ist allerdings nun nicht mehr möglich, da durch das Gerichtsverfahren entsprechende Fristen nicht mehr eingehalten werden können.
Laut Volksgesetzgebung können Volksentscheide zusammen mit Bürgerschafts- und Bundestagswahlen abgehalten werden. Die nächste dafür infrage kommende regulär abgehaltene Wahl wäre die Bundestagswahl 2029. Die Initiatoren könnten jedoch einen sogenannten „isolierten Volksentscheid“ beantragen. Dabei dürfte sich die Mobilisierung der Unterstützer jedoch schwieriger gestalten als bei einer Bundestags- oder Bürgerschaftswahl, zu der die Wahlberechtigten ohnehin an die Urnen gerufen werden. Für das Volksbegehren planen die Initiatoren ihre Unterschriftensammlung bislang vom 23. April bis zum 13. Mai 2025.