Den Traum vom eigenen Buch träumen viele – doch nur wenige Autoren räumen Bestseller und Kulturpreise ab. Die Berliner Literaturagentin Karin Graf (72) spricht im stern-Podcast „Die Boss“ über Erfolgsrezepte, Timing und die Frage: Wie schreibe ich einen Roman?
Auftakt zur neuen Büchersaison: Im Herbst hat das Lesen Hochkonjunktur, auf der Buchmesse werden die Bestseller von morgen verhandelt, wichtige Preise wie der Deutsche Buchpreis vergeben. Wie tickt eigentlich diese Branche, wer bestimmt über Erfolg und Misserfolg? Und, die wichtigste Frage für angehende Autorinnen und Autoren: Wie schreibe ich einen Roman?
Eine, die darauf detailliert Auskunft geben kann, ist die Berliner Literaturagentin Karin Graf (72). Sie sucht für Schriftsteller nach Verlagen, verhandelt Verträge, ihr Wort hat in der Branche Gewicht. Als sie ihre Agentur 1995 gründete, war sie eine der ersten auf dem deutschsprachigen Markt. Sie hat über die Jahrzehnte Hochkaräter wie Ingo Schulze, Mariana Leky („Was man von hier aus sehen kann“) und Karen Duve vertreten. Im Gespräch mit der Gastgeberin des stern-Podcasts „Die Boss“, Simone Menne, hat sie ausgepackt: über neue Trends, Trittbrettfahrer und falsche Erwartungen.
„Manche Autoren kommen zwei Jahre zu spät mit ihrer Idee“
„Die meisten Leute denken, sie könnten schreiben, die Verlage werden zugeschüttet mit Manuskripten“, sagt Karin Graf. Oft bleibt der Traum von Veröffentlichung und literarischem Ruhm unerfüllt, selbst bei guten Texten: „Manchen Autoren sage ich: Das ist eine gute Idee, aber sie hätte leider ein, zwei Jahre früher kommen müssen.“ Denn wie in anderen Branchen auch gebe es Themen und Trends, die sich rasch abnutzten. Derzeit (noch) in: Romantasy, ein Genre, das Liebesroman und Fantasy kombiniert. Schon wieder out: Romane, in denen demenzkranke Eltern eine wichtige Rolle spielen.
Auf der anderen Seite: Senkrechtstarter und Überraschungserfolge. Graf hat eine Spürnase für Talent, sie nimmt neue Autorinnen und Autoren nur auf Empfehlung unter Vertrag, oder bereits etablierte. Und ist dabei hart, aber fair: „Ich bin eine sehr, sehr gute Leserin und lege den Finger auf jede kleine Wunde im Text.“ Entsprechend hoch ist ihre Quote von Preisträgern, keine andere Agentur hat so viele offiziell ausgezeichnete Autoren unter Vertrag. Welcher darunter ihr persönlicher Liebling ist, darüber schweigt sie sich diskret aus: „Wenn ich einen Namen nenne, sind 250 andere beleidigt.“
Der wichtigste Tipp für Newcomerinnen: „Netzwerke schaffen“
Viele hat sie von den Anfängen bis zu den höchsten literarischen Weihen hin beraten – was ist ihr wichtigster Tipp für Newcomerinnen auf einen oft brutalen Markt? „Netzwerke schaffen, mit Kollegen sprechen, an Nachwuchs- und Stipendienprogrammen teilnehmen.“ Eine Eigenschaft, bei denen Frauen heute mit Männer gleichziehen, glaubt Graf: „In der ersten Frauenbewegung war das nicht so, ich glaube nicht, dass es eine Stärke von Alice Schwarzer war, Netze zu knüpfen. Die jungen Frauen heute machen das viel selbstverständlicher.“
Auch digitale Selbstvermarktung spielt eine zunehmende Rolle für Buchverkäufe, insbesondere bei Unterhaltungstiteln: „Die jungen Mädchen lesen und stellen ihre Lieblingsbücher auf TikTok vor, das ist nochmal eine Parallelwelt.“
Als langjährige Geschäftsfrau ist Karin Graf bodenständig geblieben: „Im Grunde bin ich eine Hausfrau, die sich bei jedem Buch fragt: Was braucht die Autorin, welchen Marktwert hat das Manuskript?“ Dabei eilt ihr der Ruf einer geschickten Verhandlerin voraus. Dass ihr Agenturteam fast ausschließlich aus Frauen besteht, ist kein Zufall. Nicht etwa, weil Frauen sensibler wären für Sprache, Kunst, Figuren: „Frauen sind besser in Dienstleistungen. Man muss Sachkompetenz mitbringen, Verhandlungsgeschick, Furchtlosigkeit. Aber am Ende stehen der Autor und seine Interessen im Mittelpunkt.“
Im stern-Podcast „Die Boss – Macht ist weiblich“ spricht Karin Graf über ihre Anfänge als Agentin, die Frage, ob man als Unternehmerin auch Spielerin sein muss, Trends und Themen im Literaturmarkt – und warum eine Frau, die so sehr von und mit Büchern lebt, noch nie selbst eines geschrieben hat.
Bei „Die Boss – Macht ist weiblich“ sprechen Spitzenfrauen unter sich: Gastgeberin und Multi-Aufsichtsrätin Simone Menne (unter anderem BMW, Deutsche Post DHL, Henkel) trifft Chefinnen aus allen Gesellschaftsbereichen, um mit ihnen über ihr Leben und ihre Karriere zu reden. „Die Boss“ erscheint vierzehntäglich immer mittwochs auf stern.de sowie auf RTL+ und allen gängigen Podcast-Plattformen.
Hinweis der Redaktion: Der stern gehört zu RTL Deutschland.