Ines Schwerdtner und Jan van Aken wollen als Doppelspitze die Linke aus der Krise führen – ein schwieriges Ding. Warum Lord Voldemort dabei nicht hilft, erklären sie im dpa-Doppelinterview.

Die wahrscheinliche neue Doppelspitze der Linken setzt auf enttäuschte Wählerinnen und Wähler von SPD und Grünen, um die Partei aus der Existenzkrise zu holen. Es gebe so viele von ihnen, die nach einer Alternative suchten, sagte der frühere Bundestagsabgeordnete Jan van Aken in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur. „Die Ampel legt uns jeden Tag einen Elfmeter auf den Punkt, wir müssen ihn nur reinmachen.“

Der Hamburger äußerte sich gemeinsam mit seiner Parteikollegin Ines Schwerdtner aus dem Landesverband Sachsen-Anhalt. Beide bewerben sich als Doppelspitze um die Nachfolge der Linken-Vorsitzenden Martin Schirdewan und Janine Wissler, die die Ämter nach einer Serie von Wahlniederlagen im Oktober abgeben. Nach der Abspaltung des Bündnisses Sahra Wagenknecht steht die Partei bundesweit in Umfragen nur noch bei rund drei Prozent.

„Revolutionäre Freundlichkeit“

Schwerdtner sagte, wichtig sei ein neuer Umgang in der Partei: „Ich nenne das „revolutionäre Freundlichkeit“. Das werden wir knallhart durchziehen, auch bei Wählerinnen und Wählern anderer Parteien. Wir werden gnadenlos freundlich bleiben.“ Van Aken stimmte zu: „Mein Lebensmotto war immer: Die Welt verbessern und Spaß haben.“ Die Linke wolle „eine positive Vorstellung von der Welt entwickeln und transportieren, statt alles nur schlechtzureden wie in einer düsteren Voldemort-Welt“. Gemeint ist der fiktive Gegenspieler der Romanfigur Harry Potter.

Inhaltlich wollen van Aken und Schwerdtner die Linke auf Kurs ihrer Vorgänger halten. Waffenlieferungen an die Ukraine lehnen sie ab und fordern einen Verhandlungsfrieden. „Aber es geht um einen gerechten Frieden, und was das ist, können nur die Menschen in der Ukraine selbst definieren“, sagte van Aken, früher UN-Biowaffeninspekteur. Das unterscheide sich von der Position des Bündnisses Sahra Wagenknecht. „Alles, was ich von BSW höre, läuft auf den Diktatfrieden hinaus, und das lehne ich komplett ab.“

„Die Nato braucht kein Mensch“

Van Aken und Schwerdtner unterstützen ausdrücklich das Grundsatzprogramm der Linken, in dem es heißt: „Wir fordern die Auflösung der Nato und ihre Ersetzung durch ein kollektives Sicherheitssystem unter Beteiligung Russlands“. Das gehe zwar im Moment nicht, weil das Vertrauen zu Russland fehle, sagte van Aken. „Doch da müssen wir wieder hinkommen.“ Ein Zeitrahmen von 30 Jahren scheine realistisch. „Die Nato braucht kein Mensch, sie ist keine Wertegemeinschaft, sondern ein knallhartes Machtbündnis. Wir sind für eine strategische Autonomie der EU und dafür, dass Sicherheit in Europa gedacht wird.“

Schwerdtner blieb auch bei der Forderung der Linken, dass Deutschland schon 2035 klimaneutral werden müsse. „Aber die Zeit drängt, man hat sehr viel versäumt, gerade im Verkehr oder bei der Sanierung von Wohnungen“, sagte die 35-jährige Journalistin in dem dpa-Doppelinterview. „Wir müssen die Menschen viel konkreter davon überzeugen, wie es geschehen soll.“ Gefordert seien die Verursacher von CO2 und „eben nicht die arbeitenden Menschen“.

Grenzkontrollen „müssen weg“

Zur Asyldebatte sagte van Aken: „Wir sind dafür, dass diese Grenzkontrollen in Deutschland wegkommen. Es gibt keine illegale Migration, wir haben ein Asylrecht im Grundgesetz verankert und das ist gut so.“ Nicht Migration habe eine soziale Schieflage im Land verursacht, sondern „die Politik der Ampel und der CDU“.

Für eine Zusammenarbeit mit CDU und BSW etwa in Thüringen sei man offen, wenn sich nur so eine Regierungsbeteiligung der AfD verhindern lasse. „Inhaltlich gibt es für die Linke im Sozialen einige Überschneidungen mit dem BSW“, sagte van Aken. „Es wäre emotional verständlich, aber völlig falsch, wenn man jetzt sagen würde: Zur Not macht man das mit der CDU, aber nicht mit BSW.“

„Am Wahlabend nicht zittern, sondern feiern“

Das Bewerber-Duo zeigt sich sicher, dass die Linke ihren Tiefpunkt hinter sich habe. „Wir werden nicht dabei stehenbleiben, den Neuanfang zu proklamieren“, sagte Schwerdtner. „Wir lassen uns daran messen, das auch in die Praxis umzusetzen.“ Van Aken fügte hinzu: „Es sind so viele junge Leute in die Partei eingetreten. Da gibt es so viel Energie, da brennt so viel Feuer. Wir müssen diese Energie nur bündeln.“

Fünf Prozent Stimmenanteil bei der Bundestagswahl 2025 reichten ihm nicht, sagte van Aken. „Ich möchte am Wahlabend nicht zittern, sondern feiern.“ Bei der Wahl 2021 lag die Linke bei 4,9 Prozent, zog aber mit drei Direktmandaten in Fraktionsstärke ins Parlament ein.

Schwerdtner und van Aken sind nach Ablauf der Meldefrist die einzigen bekannten Bewerber für die Linken-Spitze. Gewählt wird beim Parteitag in Halle im Oktober.