Ein halbes Jahr ist der neue EnBW-Chef im Amt. Georg Stamatelopoulos muss viel aufklären, warum die Energiewende nötig ist und Geld kostet. Er geht auch auf die Frage ein, ob Strom zum Luxusgut wird.

Gerade wegen steigender Energiekosten lässt die Zustimmung zur Energiewende in der Bevölkerung aus Sicht von EnBW-Chef Georg Stamatelopoulos nach. Lokal habe es schon immer Widerstand etwa gegen Windkraftanlagen vor Ort gegeben. Nun werde die Kritik aber globaler, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. „Die Leute verstehen nicht, warum das alles Geld kostet.“ Die Aussage, dass Sonne und Wind keine Rechnung schicken, sei zwar richtig. „Die kann aber auch irreführend ausgelegt werden.“ 

Hier sei es wichtig zu erklären, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien einerseits auch den Ausbau der Netze und dezentraler Speicheranlagen nötig mache, wodurch Kosten stiegen. Und andererseits, dass es Sparmöglichkeiten gebe – etwa wenn Stromtrassen oberirdisch statt unter der Erde verlegt würden. Die Politik versteht das seiner Einschätzung nach durchaus. Das Problem sei aber die gesellschaftliche Akzeptanz. „Wenn wir die Menschen verlieren, dann wird das Mammutprojekt Energiewende erschwert.“

Über 1,2 Billionen Euro – „Das überfordert alle Kunden“

Investitionen in Infrastruktur sind langfristig – erst wenn sie gebaut ist, kommt der positive Effekt zum Tragen, dass Erneuerbare keine Brennstoffkosten haben. Da der Strombedarf durch die Elektrifizierung in Verkehr und Wärmeversorgung weiter steigen wird, sind die Infrastrukturkosten zudem auf eine breitere Basis verteilt. „Das heißt, langfristig werden wir sinkende Energiepreise sehen“, machte Stamatelopoulos deutlich, der vor einem halben Jahr nach dem überraschenden Abgang von Andreas Schell an die Spitze des drittgrößten deutschen Energiekonzerns gerückt war. 

Es ergebe Sinn, wenn der Staat die erforderlichen hohen Investitionen in die Infrastruktur in der Phase unterstütze, in der der Verbrauch noch nicht so hoch sei. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft und die Beratungsfirma EY haben die nötigen Investitionen, um die Ziele der Energiewende bis 2035 zu erreichen, auf mehr als 1,2 Billionen Euro beziffert. „Das überfordert alle Kunden, nicht nur die Industrie“, sagte der 54-Jährige. 

Ob ein Sondervermögen notwendig sei, um die weitere Finanzierung der Energiewende voranzutreiben, wollte Stamatelopoulos nicht beurteilen. Das sei Aufgabe der Politik. Es gebe eine Reihe von Vorschlägen, wie Teile der Kosten gestreckt werden können. „Darüber muss man reden. Auch für uns als EnBW ist die Finanzierung der Investitionen in diesem Jahrzehnt eine echte Herkulesaufgabe.“ Der hohe Finanzbedarf sei aber unbestritten.

Klimaschutz, Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit 

Die Energiewende müsse aber schneller vorangetrieben werden. Es gebe Fortschritte, betonte der Manager. Und der auf über 50 Prozent angewachsene Anteil erneuerbarer Energien am Bruttostromverbrauch zeige auch, dass es funktioniere. „Es gibt keine Stromunterbrechungen, das System ist stabil.“ Dennoch sei das Thema disponible Leistung lange Zeit vernachlässigt worden – also Kraftwerke, die nach Bedarf dazugeschaltet werden. 

Lange habe der Fokus vor allem auf Klimaschutz gelegen, der mit Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit ein Dreieck bilde. Das habe zur allgemeinen Stimmung gepasst und sei nicht nur auf die Politik der Grünen zurückzuführen. „Der Ukraine-Krieg hat sehr viel dazu beigetragen, die zwei anderen Dimensionen des energiewirtschaftlichen Dreiecks wiederzuentdecken“, sagte Stamatelopoulos. „Wir dürfen weder die Versorgungssicherheit aufs Spiel setzen noch das Thema Bezahlbarkeit auf die leichte Schulter nehmen.“

Sollte nämlich der Strompreis zu hoch werden, könnten Abstriche beim Klimaschutz die Folge sein, so dass Deutschland erst später klimaneutral werde. „Dann wird es vielleicht nicht ganz genau bis 2045 klappen“, sagte der Vorstandsvorsitzende. „Aber wir sollten das Ziel nicht aufgeben. Wir haben die Möglichkeit, pragmatische Lösungen zu finden.“

Kritik an Plänen für Kapazitätsmarkt 

Auch bei den Plänen des Bundeswirtschaftsministeriums zum künftigen „Strommarktdesign“ zeigen sich laut dem EnBW-Chef die Umsetzungsprobleme. Bis 2028 soll ein Mechanismus entwickelt werden, damit Anbieter dafür honoriert werden, dass sie sogenannte steuerbare Kraftwerkskapazitäten bereitstellen, um den Bedarf in jenen Zeiten zu decken, in denen Wind und Sonne nicht genügend Energie liefern. Eine Art Feuerwehr des Systems, sagte er. 

„Angesichts des Zeitdrucks kann ich nicht nachvollziehen, warum wir uns hier nicht an bereits bestehenden und funktionierenden Modellen orientieren“, sagte Stamatelopoulos. „Es gäbe Vorbilder in der EU.“ Die Europäische Union habe auch den Kapazitätsmarkt im Vereinigten Königreich genehmigt, der von der Struktur her mit dem deutschen relativ gut vergleichbar sei. „Aber wieder will Deutschland einen eigenen, extrem komplizierten Weg einschlagen“, kritisierte der Vorstandschef. „Dafür nehmen wir in Kauf, dass es teurer wird und dass es wahrscheinlich in 2028 nicht fertig sein wird.“