Unbekannte haben bei der Landtagswahl in Sachsen Stimmzettel verändert. Die Polizei ermittelt wegen versuchten Wahlbetrugs. Was genau ist passiert und wie häufig kommt das vor?
In Dresden überklebten Unbekannte die gemachten Kreuze von Briefwählern. Neue Kreuze setzten sie stattdessen bei der Kleinstpartei „Freie Sachsen“, die vom Verfassungsschutz als rechtsextremistische Bestrebung eingestuft wird. In einer Mitteilung spricht die Polizei in Sachsen aktuell von etwa 130 Stimmzetteln. Gefunden wurden sie in Wahlbezirken in Dresden, Radeberg und Bautzen. Das Dezernat Staatsschutz hat die Ermittlungen übernommen.
Nun wird die Landtagswahl in Sachsen von Betrugsversuchen überschattet. Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Was ist Wahlfälschung?
Was als Wahlfälschung eingestuft wird, regelt Paragraf 107a Absatz 1 des Strafgesetzbuches. Bestraft wird, „wer unbefugt wählt oder sonst ein unrichtiges Ergebnis einer Wahl herbeiführt oder das Ergebnis verfälscht“. Dazu zählt auch, wenn jemand „im Rahmen zulässiger Assistenz entgegen der Wahlentscheidung des Wahlberechtigten oder ohne eine geäußerte Wahlentscheidung des Wahlberechtigten eine Stimme abgibt“. Tischner Höcke-Bezwinger 17:02
Wer gegen den Paragrafen verstößt, muss mit einer Geldstrafe oder einer Gefängnisstrafe von bis zu fünf Jahren rechnen. Allein der Versuch gilt als strafbar.
Wie sind die Fälle in Dresden aufgefallen?
Die Polizei Dresden sagte dem stern auf Nachfrage, die Unregelmäßigkeiten seien Mitarbeitenden der Landeshauptstadt bei der Auszählung der Stimmzettel aufgefallen. Entdeckt wurden die manipulierten Stimmzettel laut einem Bericht der „Sächsischen Zeitung“ anfangs in zwei Wahlbezirken. „Dieser Verdacht ist uns in Bezug auf die Wahlbezirke 36011 und 36012 bekannt geworden“, sagte ein Sprecher der Stadt Dresden der Zeitung. Die beiden Wahlbezirke befinden sich in Langebrück im Norden von Dresden. Später wurden einzelne manipulierte Zettel in weiteren Bezirken entdeckt.
Im Wahlbezirk 36012 schnitten die „Freien Sachsen“ auffallend gut ab. Dort erreichten sie mit 59 Direktstimmen und 60 Listenstimmen jeweils 10,2 Prozent. Insgesamt kam die Kleinstpartei bei der Landtagswahl auf 2,2 Prozent. Laut einem Bericht der „Bild“-Zeitung rückten in Dresden Mitarbeiter von Altenheimen und Postboten als mögliche Urheber in den Fokus der Ermittler. Die Polizei bestätigte das nicht.
Wie häufig gibt es Wahlbetrug in Deutschland?
So gut wie gar nicht. Ein Sprecher des Bundeskriminalamts sagte dem stern, Wahlfälschung spiele in Deutschland eine so untergeordnete Rolle, dass der Straftatbestand in der Polizeilichen Kriminalstatistik nicht separat ausgewiesen werde. „Wahlfälschung ist in Deutschland kein Problem“, so der Sprecher.
In Sachsen ist derzeit die Rede von etwa 130 Stimmzetteln, bei denen Behörden eine versuchte Beeinflussung feststellten. Insgesamt wurden bei der Landtagswahl am Sonntag rund 2,37 Millionen Stimmen abgegeben.
Sollten Wählerinnen und Wähler sich Sorgen machen?
Nein. (Versuchte) Wahlfälschung ist extrem selten in Deutschland. Bei vorangegangenen Wahlen kursierten Falschinformationen sowie gefälschte Fotos in sozialen Medien, die angeblichen Wahlbetrug zeigen sollten. Diese stellten sich jedoch als falsch heraus und wurden zum Beispiel von der Bundeswahlleiterin online erklärt.
Rechtsextreme Gruppierungen versuchten bei vergangenen Wahlen mit Kampagnen und Aktionen, Zweifel an demokratischen Abläufen zu säen. Auch die „Freien Sachsen“, die von den manipulierten Kreuzchen profitiert hätten, werden vom Verfassungsschutz als rechtsextremistische Bestrebung eingestuft. Noch ist aber nicht klar, wer hinter dem Versuch bei dieser Landtagswahl steckt.
Wie läuft die Stimmenauszählung?
Persönlich abgegebene und postalisch abgeschickte Wahlstimmen werden von ehrenamtlichen Helfern gemeinsam ausgezählt und auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft. Die Anzahl der Stimmzettel wird mit Wählerlisten abgeglichen und anschließend von der Wahlleitung festgestellt. Treten Unsicherheiten auf, stehen Ansprechpartner der jeweiligen Behörden zur Verfügung. Anschließend werden die Stimmzettel auf vorgeschriebene Weise verpackt und müssen so lange sicher aufbewahrt werden, bis die jeweilige Landes- oder Bundeswahlleitung sie spätestens 60 Tage vor der folgenden Wahl zur Vernichtung frei gibt.
„Die Wahldurchführung und die Auszählung in den Urnen- und den Briefwahlbezirken sind öffentlich und überprüfbar“, teilt eine Sprecherin der Bundeswahlleiterin dem stern mit. „Jede und jeder kann als Wahlbeobachter/-in dabei sein und sich davon überzeugen, dass alles ordnungsgemäß und nachvollziehbar abläuft.“
Quellen: Landeswahlleiter, Bundeswahlleiterin, Landtag Sachsen, Bundesjustizministerium, Polizei Sachsen, „Sächsische Zeitung„, Bundestag