Spannender Wahlabend in Sachsen: CDU und AfD liegen zunächst Kopf an Kopf. Ministerpräsident Kretschmer sieht seine Partei in der Lage, eine Regierung zu bilden – doch einfach wird das nicht.

Bei der Landtagswahl in Sachsen liefern sich CDU und AfD ein Rennen um den ersten Platz. Nach den Hochrechnungen verliert die Union im Vergleich zur Wahl 2019 leicht an Stimmen, liegt aber knapp vorn. Die AfD legt zu. Ministerpräsident Michael Kretschmer sieht die CDU wieder in der Lage, eine Regierung zu bilden. Die Regierungsbildung könnte aber schwierig werden, denn mit der AfD will keine der übrigen Parteien zusammenarbeiten.

Auf dem dritten Platz landet das neue Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), erst mit Abstand folgt die SPD. Die Grünen müssen um den Einzug in den Landtag bangen, die Linke scheitert an der Fünf-Prozent-Hürde und könnte aus dem Parlament fliegen.

BSW auf Anhieb zweistellig

Den Hochrechnungen (Stand: 20.30 Uhr) zufolge kommt die CDU auf 31,5 bis 31,8 Prozent (2019: 32,1 Prozent), die AfD liegt mit 30,7 bis 31,4 Prozent (27,5) knapp dahinter. Das BSW erreicht aus dem Stand 11,5 bis 12,0 Prozent. Die SPD landet bei 7,6 Prozent (7,7). Die Linke rutscht dramatisch ab auf 4,1 bis 4,3 Prozent (10,4) – und damit unter die Fünf-Prozent-Hürde. 

Auch die Grünen müssen mit 5,1 bis 5,2 Prozent (8,6) zittern. Die FDP verpasst erneut den Einzug in den Landtag – wie schon bei den vergangenen zwei Landtagswahlen. Alle Parteien, die unter fünf Prozent liegen, können es allerdings dann entsprechend ihrem Zweitstimmenergebnis in den Landtag schaffen, wenn sie zwei Direktmandate gewinnen.

Die vom sächsischen Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestufte AfD bekommt nach den Hochrechnungen 40 bis 41 Sitze (38), die CDU 41 bis 42 Mandate (45). Das BSW stellt 16 bis 17 Abgeordnete. Die SPD erhält 10 Sitze (10), die Grünen kommen auf 7 Sitze (12).

Zur Abstimmung aufgerufen waren etwa 3,3 Millionen Bürger. Die Wahlbeteiligung lag bei 73,5 bis 74,0 Prozent.

Kretschmer erwartet schwierige Regierungsbildung

Ministerpräsident Kretschmer sieht seine Partei nach den ersten Zahlen in der Lage, weiter die Regierung im Land zu bilden. „Das wird alles nicht einfach“, sagte Kretschmer auf der Wahlparty der CDU. „Aber eins gilt: Mit vielen Gesprächen und dem Willen, etwas für dieses Land zu tun, kann es gelingen, mit diesem Wahlergebnis Sachsen eine stabile Regierung zu geben, die dem Land dient und mit Demut vorangeht.“ Die CDU stehe bereit, weiter Verantwortung für dieses Land zu übernehmen.

CDU könnte auf BSW angewiesen sein

Seit der Wiedervereinigung hat die CDU stets den Regierungschef in Sachsen gestellt – zuletzt regierte Kretschmer seit 2019 in einer Koalition mit Grünen und SPD. Für eine Fortsetzung des Bündnisses würde es nach den Hochrechnungen nicht reichen. Rechnerisch möglich wäre eine Unterstützung der CDU durch das BSW und die SPD. 

Aber: Auch BSW-Chefin Wagenknecht war einst SED-Mitglied und galt später als Ikone der kommunistischen Plattform in der Linken – was etlichen CDU-Politikern Bauchschmerzen macht. Eine Koalition wäre dennoch möglich, denn nach einem Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU darf die Partei weder mit der AfD noch mit der Linken koalieren – zum BSW, das sich von der Linken abgespalten hat, gibt es aber keine Festlegung.

Die Grünen hatten CDU und SPD vor der Wahl vorgeworfen, sich auf eine gemeinsame Minderheitsregierung vorzubereiten. CDU und SPD haben in Sachsen schon drei Mal koaliert.

AfD hat CDU in Sachsen schon mehrmals geschlagen

Die AfD hatte die Union in Sachsen auch schon bei früheren Wahlen geschlagen: bei zwei Bundestagswahlen und einer Europawahl. Sollte sie nun mehr als ein Drittel der Landtagsmandate gewinnen, hätte sie eine sogenannte Sperrminorität: Bei Entscheidungen und Wahlen, die eine Zweidrittelmehrheit erfordern, bedürfte es der Zustimmung der AfD. So werden etwa die Verfassungsrichter vom Parlament mit Zweidrittelmehrheit gewählt.

Die AfD-Bundesvorsitzende Alice Weidel wertete den Ausgang der Wahlen in Thüringen und Sachsen als historischen Erfolg für ihre Partei. Zugleich sei es eine Abstrafung der Ampel-Regierung im Bund, sagte Weidel in der ARD. Weidel kritisierte zudem die Haltung der CDU, eine Koalition mit der AfD auszuschließen. „Das ist natürlich die pure Ignoranz des Wählerwillens“, sagte sie. Ohne die AfD sei eine stabile Regierung überhaupt nicht mehr möglich. 

BSW-Spitzenkandidatin zeigt sich zufrieden

Die sächsische BSW-Spitzenkandidatin Sabine Zimmermann zeigte sich zufrieden mit dem Ergebnis ihrer Partei. „Wir sind zweistellig und wir haben das Ergebnis der Europawahl gehalten. Da können wir stolz drauf sein und das sind wir auch“, sagte sie in der ARD. Mit dem BSW müsse sich die Politik verändern, ganz spürbar auch für die Bürgerinnen und Bürger. „Und das in kurzer Zeit.“Im ZDF erteilte sie einer möglichen Koalition mit der AfD erneut eine Absage. Stattdessen blicke die Partei auch auf die Christdemokraten.

Die SPD-Spitzenkandidatin Petra Köpping äußerte sich erleichtert über das Abschneiden ihrer Partei. „Ich bin natürlich auch genauso froh wie ihr, dass wir diesen wirklich harten Wahlkampf, den wir in den letzten Monaten, ich würde fast sagen Jahren, geführt haben (…), dass wir doch so abgeschnitten haben bei allen Prognosen“, sagte sie. 

Grünen-Chef Omid Nouripour sah am Abend zunächst die Chance auf eine weitere Regierungsbeteiligung seiner Partei in Sachsen. Die Koalition dort habe gut gearbeitet, sagte er in der ARD. „Auch wenn der Ministerpräsident die letzten zwei Jahre eigentlich gegen die eigenen Leute die ganze Zeit Wahlkampf gemacht hat.“ 

Scharfe Töne vor der Wahl

Der Wahlkampf war aufgeheizt. Ein Streitpunkt war der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und Deutschlands Rolle als Kiews Verbündeter und in der Nato. So sagte Wagenknecht, für eine BSW-Beteiligung an einer Regierung müsse diese sich klar gegen die Stationierung weitreichender US-Raketen in Deutschland aussprechen. 

Zusätzliche Schärfe in die Debatte über Asyl und Migration brachte das Messeranschlag von Solingen mit drei Todesopfern, für das die Bundesanwaltschaft einen mutmaßlich islamistischen Syrer verantwortlich macht, der als Flüchtling nach Deutschland kam.