Lüder Warnken ist Notfallmediziner und Comedian. Warum das gut zusammenpasst und sogar Leben retten kann.

Herr Dr. Warnken, seit wann arbeiten Sie im Rettungsdienst?
Ich bin jetzt seit zwölf Jahren Notarzt, aber davor war ich schon viele Jahre als Rettungsassistent aktiv.

Wie kam es dazu, dass Sie ein Bühnenprogramm als Comedian entwickelt haben? 
Egal ob in der Schule, während der Ausbildung oder im Studium: Mich hat es immer schon genervt, wenn vor mir Leute stehen, die zwar fachlich extrem kompetent sind, die aber nicht in der Lage sind, ihre jeweiligen Zuhörer direkt anzusprechen und zu begeistern.

Nimmt das Publikum Ihnen ab, dass Sie Mediziner sind?
Ich mache das jetzt schon viele Jahre, aber egal wo ich auftrete, muss ich zu Beginn der Show erst einmal klarstellen: Ich bin wirklich Notarzt und nicht der Hausmeister, der diese Arztrolle spielt. 

Hausarzt der Zukunft 15.54

„Scheiße, ein Notfall“ heißt Ihre Show. Darf man über ein so ernstes Thema wie Notfallmedizin Witze machen? 
Beim Thema Rettungsdienste denkt man ja immer nur an Tod und Teufel, amputierte Beine und andere Katastrophen. Aber es gibt halt auch super viele lustige Dinge, die da passieren. Irgendwann habe ich angefangen, diese Geschichten zu sammeln und auf kleinen Bühnen zu präsentieren. So konnte ich als Comedian testen, was die Leute lustig finden und wo beim schwarzen Humor die Grenzen sind.

Welche Geschichten bringen maximalen Lacherfolg?
Ein Klassiker ist die Herzdruckmassage. Wenn ein Angehöriger plötzlich einen Herzstillstand hat und man bei der Leitstelle anruft, bekommt man dort meist sinngemäß die Anweisung: Machen Sie den Oberkörper frei und beginnen Sie regelmäßig auf den Brustkorb zu drücken. Immer wieder berichten dann Kollegen vom eintreffenden Rettungsdienst, dass die Ersthelfer mit nacktem Oberkörper auf dem Boden knien und den Brustkorb des Betroffenen bearbeiten. Manche Leitstellen sagen daher mittlerweile: „… bitte machen Sie den Oberkörper der Person, die da liegt, frei“.

Und was können die Zuschauer neben dem Spaß bei Ihnen lernen?
Viele Leute, die man etwa auf einer Party anspricht, geben offen zu, dass sie keine Ahnung mehr von Erster Hilfe haben. Gleichzeitig sagen sie: Ich setze mich nicht noch einmal in so einen Kurs. Da wurde von den Veranstaltern früher auch viel falsch gemacht. Für mich resultierte daraus die Frage: Wie kann man diese Leute erreichen und ihnen wichtigen, medizinischen Content vermitteln? Das war gewissermaßen die Geburtsstunde der Show.

Reicht das Show-Wissen aus, um Leben zu retten? 
Mir ist völlig klar: Eine Show in der 500 Leute sitzen, ersetzt kein Notfalltraining, Aber ich versuche den Aha-Effekt zu vermitteln: Es ist ja viel einfacher zu helfen, als ich immer dachte. 

Was schreckt die Leute so ab vom klassischen Erste-Hilfe-Kurs?
In der Vergangenheit haben wir in Erste-Hilfe-Kursen zwei Dinge grundlegend falsch gemacht. Zum einen haben wir dem Ersthelfer vermittelt: Um im Notfall zu helfen, musst du ganz viele Krankheiten kennen und unterscheiden können. Bei großer Hitze etwa Hitzeschlag, Hitze-Erschöpfung, Sonnenstich etc. Im Notfall spielt diese Differentialdiagnose für den Ersthelfer aber gar keine Rolle.

Das zweite ist, wir sind extrem auf dem Thema unterlassene Hilfeleistung herumgeritten. Wir haben Ersthelfer bedroht, wenn sie nichts tun oder etwas Falsches, kommen sie in die „Erste-Hilfe-Hölle“. Das hat dazu geführt, dass Ersthelfer in Deutschland sehr verunsichert sind, weil sie tausend Sachen im Kopf haben. Dabei brauchen wir dringend mehr Ersthelfer, denn nur dann können wir die 7 bis 8 Minuten überbrücken, bis der Rettungsdienst vor Ort ist.

Das bedeutet, die Menschen machen lieber nichts als etwas Falsches?
Genau das haben wir ungewollt provoziert. Natürlich wird für einen Laien ein Notfall immer aufregend sein, weil der super selten passiert und dann häufig auch noch die eigene Familie betrifft. 

Was würde dem Helfer helfen?
Die Vereinfachung des Ablaufs hat den größten Einfluss darauf, ob jemand hilft oder nicht. 2013 waren es in Deutschland gerade einmal 17 Prozent der Umstehenden, die bei einem Herzstillstand mit Wiederbelebung anfingen. Daraus hat die Deutsche Gesellschaft für Anästhesie und Intensivmedizin geschlossen: Wir müssen den Ablauf der Wiederbelebung durch Laien vereinfachen, und hat im Rahmen der Kampagne „Ein Leben retten“, die Beatmung aus dem Ablauf herausgenommmen. 

Und wie hat sich das ausgewirkt?
Die aktuellen Zahlen für 2024 zeigen: Durchschnittlich 50 Prozent der Umstehenden in Deutschland fangen jetzt mit der Wiederbelebung an, wenn jemand kollabiert ist.