Die Sommer-Erkältungswelle fällt in diesem Jahr heftig aus. Viele gehen auch mit Husten oder Schnupfen zur Arbeit – und erliegen damit dem Übel des Präsentismus.
Rund 2,8 Millionen Menschen leiden derzeit an einer akuten Atemwegserkrankung, sie werden geplagt von Schnupfen, Husten, Niesen, Halsweh, manchmal auch von leichtem Fieber, Mattigkeit, Kopf- und Gliederschmerzen. Der Sommer 2024 ist geprägt von einer starken Erkältungswelle.
Die gute Nachricht: Laut dem jüngsten Wochenbericht des Robert-Koch-Instituts (RKI) ebbt die Welle endlich ab. So sank die Zahl der Neuerkrankungen von 3900 Fällen pro 100.000 Einwohner in der Vorwoche auf aktuell 3300 Fälle. Auch die Zahl der Arztbesuche von Eltern mit Kindern unter vier Jahren hat sich verringert. Da Kleinkinder die Kranheitserreger häufig aus der Kita mitbringen und Geschwister sowie Eltern anstecken, ist auch das ein ermutigendes Zeichen. Auslöser der aktuellen Sommer-Erkältungen sind vor allem Rhinoviren und SARS-CoV-2. Influenza-Viren spielen fast keine Rolle in dem Infektionsgeschehen.STERN PAID Hausmittel gegen Erkältung Fotostrecke 14.43
Das Übel des „Präsentismus“
Wohl keine Krankheit trifft uns häufiger als Erkältungen – für Erwachsene sind zwei bis vier Infekte pro Jahr vollkommen normal – aber dennoch fällt es uns schwer, sie zu akzeptieren. Der lästige Husten soll bitte nicht unsere täglichen Routinen stören.
„Präsentismus“ nennen Experten es, wenn Menschen trotz Krankheit arbeiten. Maren Beer vom Institut für Betriebliche Gesundheitsberatung (IFBG) und die Techniker Krankenkasse haben das Phänomen 2022 untersucht. „Die Zahlen sind eindeutig“, sagt Beer. „58 Prozent der 1200 Befragen gaben an, dass sie regelmässig trotz Krankheit arbeiten.“ 40 Prozent sagten, dass sie das auch mit starkem Halsweh, Schnupfen oder Husten tun.
Die Motive der Befragten sind ehrenwert – sie wollen wichtige Termine nicht reißen, die Kollegen nicht belasten, viele schonen sich nicht, weil ihnen die Arbeit so viel Freude bereitet. Es seien gerade die hoch motivierten Leistungsträger, sie sich krank zur Arbeit schleppten, so Beer.
Einen Gefallen tun sie damit weder sich noch ihrem Arbeitgeber. „Präsentismus verursacht höhere Kosten als Absentismus, also das Phänomen, dass Mitarbeiter sich krank schreiben lassen, ohne krank zu sein“, sagt Beer. Wird eine Krankheit verschleppt, kann sie chronifizieren, es drohen längere Ausfallzeiten, Produktivität und Leistungsfähigkeit sinken. STERN PAID 13_24 Titel Sportmediziner IV 12.10
Risiken durch verschleppte Erkältungen
Bei einer verschleppten Erkältung etwa kann es zu anhaltenden Entzündungen der Nasennebenhöhlen oder der Bronchien kommen, selten auch zu einer Lungenentzündung. Junge Männer, die sich unmittelbar nach einem Infekt zu stark sportlich belasten, haben ein erhöhtes Risiko für Herzmuskelentzündungen.
Menschen, die im Homeoffice arbeiten neigen übrigens noch stärker zum „Präsentismus“ als solche, die ins Büro fahren. Ein Grund dafür sei die sogenannte „Bettkantenentscheidung“ sagt Maren Beer. „Man wacht angeschlagen frühmorgens auf und überlegt, ob man arbeiten kann oder dafür zu krank ist. Im Homeoffice kann diese Entscheidung jederzeit revidiert werden. Die Schwelle, nur mal eben ins Nebenzimmer an den Rechner zu gehen oder im Bett das Laptop aufzuklappen, ist viel niedriger als ins Büro zu pendeln.“
Ob Erkältungswellen kürzer dauern würden, wenn das Übel des Präsentismus beseitigt wäre – niemand kann es mit Sicherheit sagen.
Dem Immunsystem eine Chance geben
Was wir aber wissen: „Eine normale Erkältung dauert in der Regel fünf bis zehn Tage, selten über 14 Tage“, sagt Dr. Uwe Popert, Sprecher der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM). Alles, was das Immunsystem schwächt, macht anfälliger für Erkältungen: chronischer Stress, Schlafmangel, Unterkühlung, Krankheiten.
Sinnvoll ist es, sich gerade in den ersten zwei Tagen nach Ausbruch der Symptome konsequent zu schonen, damit sich das Immunsystem auf die Bekämpfung der Viren konzentrieren kann. Wenn es gut läuft, klingen die Beschwerden nach drei bis sieben Tagen ab und sind nach 14 Tagen ganz verschwunden.