Der Finanzminister zeigt sich erstaunt über die scharfe Kritik der Koalitionspartner, nachdem er neuen Gesprächsbedarf zum Haushalt angemeldet hat. Die Opposition spricht von Chaos.

Angesichts des neuen Ampel-Streits über den Bundeshaushalt 2025 geht CSU-Chef Markus Söder die Koalition hart an. „Die Ampel kann nicht seriös regieren, das Chaos geht weiter“, sagte der bayerische Ministerpräsident der „Augsburger Allgemeinen“. „Der Bundeshaushalt ist löchrig wie ein Schweizer Käse, überall offene Fragen und ungedeckte Schecks.“ Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) verteidigte sein Vorgehen gegen scharfe Kritik der Koalitionspartner SPD und Grüne – und machte letztlich das Kanzleramt verantwortlich.

Der Minister hatte zuletzt neuen Gesprächsbedarf zum Haushalt angemeldet, auf dessen Grundzüge die Koalition sich vor knapp einem Monat nach langem Streit verständigt hatte. Hintergrund ist die Prüfung mehrerer Vorhaben, mit denen Kanzler Olaf Scholz (SPD), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Lindner die Finanzierungslücke im Haushalt des kommenden Jahres eigentlich um acht Milliarden Euro reduzieren wollten. 

Finanzministerium will neue Sparmaßnahmen

Es ging darum, der Bahn und der Autobahngesellschaft Darlehen statt Zuschüsse zu zahlen – und um 4,9 Milliarden Euro aus der Zeit der Gaspreisbremse, die bei der Förderbank KfW liegen. Zwei Gutachten hatten rechtliche und wirtschaftliche Zweifel ergeben – vor allem an dem Plan, die ungenutzten KfW-Mittel für andere Zwecke im Haushalt zu verwenden. Aus Sicht des Finanzministeriums muss deshalb jetzt erneut über Sparmaßnahmen verhandelt werden. Dabei brachte Lindners Haus auch erneut Einschnitte bei den Sozialausgaben ins Gespräch. 

Auf Kritik vor allem der SPD erwiderte Lindner am Freitagabend bei einem Wahlkampftermin in Potsdam: „Ich bin erstaunt, denn auch Sozialdemokraten in Partei und Bundestag wissen ja, dass es drei Prüfaufträge gab und keine politische Verabredung.“ Die Prüfaufträge seien Vorschläge des Kanzleramts gewesen – „die sind verfassungsrechtlich beziehungsweise auch ökonomisch nicht überzeugend, teilweise sogar riskant“. 

Der Finanzminister warnte: „Verfassungsrechtliche Risiken können wir aber nicht eingehen, denn wir haben ja schon einmal aufgrund eines Koalitionskompromisses ein Urteil aus Karlsruhe erhalten.“ Das sogenannte Haushaltsurteil hatte im vergangenen Jahr Milliardenlöcher in die Finanzplanung gerissen. Der Finanzminister zeigte sich zuversichtlich, machte aber auch deutlich, dass die Koalition noch einen Weg vor sich hat.

Schlagabtausch zwischen führenden Koalitionären

SPD-Chefin Saskia Esken war Lindner am Freitag scharf angegangen. Dass der FDP-Chef seine Bewertung ohne jede Abstimmung in der Regierung vorgenommen und am Tag des großen Gefangenenaustauschs veröffentlicht habe, „das ist rücksichtslos und überschreitet für mich die Grenze des Erträglichen in einer Koalition“, sagte sie. Die Bewertung der Gutachten sei „auch in fachlicher Hinsicht eigenwillig“.

FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai nahm Lindner in Schutz. Deutschland brauche einen verfassungskonformen Haushalt, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Dass Lindner einzelne Vorhaben einer unabhängigen Prüfung unterzogen habe, sei deshalb vollkommen richtig. „Frau Esken und ihre Partei sollten dringend zu einer sachlichen Debatte zurückkehren und sich vernünftigen Konsolidierungsmaßnahmen im Haushalt nicht kategorisch entgegenstellen. Unerträglich ist nämlich lediglich der Schulden- und Sozialpopulismus der SPD.“

DGB fordert Aussetzung der Schuldenbremse

Die Entwicklung fachte die Debatte über Streitpunkte beim Haushalt neu an. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) forderte etwa, nun doch die Schuldenbremse auszusetzen. „An einem erneuten Aussetzen der Schuldenbremse und ihrer grundlegenden Reform führt kein Weg vorbei“, sagte DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Das sollte sich endlich auch der Bundesfinanzminister eingestehen.“ Lindner und seine FDP lehnen ein Aussetzen der Schuldenbremse strikt ab. 

Körzell argumentierte, die öffentliche Daseinsvorsorge, die soziale Sicherheit sowie öffentliche Investitionen in Infrastruktur und sozial-ökologischen Umbau müssten weiterhin gewährleistet sein. „Unser Land schiebt seit den Merkel-Jahren einen Investitionsstau vor sich her, der endlich aufgelöst werden muss.“ Er forderte zudem, über „eine wirksame Erbschaftsteuer“ und die Wiedereinführung der Vermögensteuer mehr Geld in die Staatskasse zu bringen. 

FDP-Fraktionschef: „Maß halten“

FDP-Fraktionschef Christian Dürr pocht dagegen auf Sparsamkeit etwa bei der Entwicklungshilfe. „Die Haltung der FDP hat sich nicht geändert: Wir müssen richtig priorisieren, etwa bei Verteidigung, Bildung und Infrastruktur“, sagte er den Funke-Zeitungen. Das bedeute aber auch, dass man an anderer Stelle Maß halten müsse, etwa beim Sozialstaat und bei der Entwicklungshilfe. 

„Wenn bei uns das Geld für die Sanierung von Schienen und Straßen fehlt, kann Deutschland nicht Milliarden für Projekte andernorts verteilen.“ Gleichzeitig müsse man jetzt dringend die geplanten Reformen beim Bürgergeld umsetzen, „um den Sozialstaat effizienter zu machen und mehr Menschen in Arbeit zu bringen“.