Über 200.000 Touristen besuchen jährlich das Schweriner Schloss. Kann es noch mehr verkraften? Sollte die Landeshauptstadt Weltkulturerbe werden, wird mit steigenden Zahlen gerechnet.

Die Unesco entscheidet voraussichtlich am Samstag, ob das Residenzensemble Schwerin den begehrten Titel „Weltkulturerbe“ bekommt. Neben der Verpflichtung, das Erbe für die Menschheit zu erhalten, steht für viele die Hoffnung im Raum, mit dem Siegel mehr Touristen anzulocken. Was hat der Titel anderen Welterbestätten gebracht? Und ist Schwerin überhaupt auf ein mögliches Besucherplus vorbereitet? Die wichtigsten Fragen und Antworten:

Was bringt der Titel „Weltkulturerbe“ für den Tourismus?

Die Unesco weiß: Die meisten Kultur- und Naturerbestätten erlangen mit ihrer Einschreibung in die Welterbeliste einen gesteigerten Bekanntheitsgrad, der sich oftmals in einer Zunahme der Besucherzahlen spiegelt. In der Hansestadt Wismar, die 2002 aufgenommen wurde, haben sich die Übernachtungszahlen seither von rund 200.000 auf 414.000 im vergangenen Jahr mehr als verdoppelt. Die Zahlen seien nach und nach gestiegen, sagt Stadtsprecher Marco Trunk. Der Welterbe-Status sei dabei ein Faktor von mehreren. Zu diesen gehöre auch die erfolgreiche ZDF-Krimiserie „Soko Wismar“. Rund 15 Prozent aller Besucher kämen deswegen. Der Welterbe-Status helfe vor allem, Wismar einem internationalen Publikum bekanntzumachen.

Was erwarten die Touristiker in Schwerin?

Sollte es mit dem Status „Unesco-Weltkulturerbe“ klappen, rechnet die Landeshauptstadt mit mehr Städtetouristen – sowohl Individualreisenden als auch Reisegruppen – mit dem Schwerpunkt Sehenswürdigkeiten und Kultur. „Selbstverständlich gibt es die Erwartung, dass Schwerin durch den Status als Weltkulturerbe international an Bekanntheit gewinnt“, heißt es aus der Pressestelle der Stadt weiter. Derzeit liege der Anteil ausländischer Gäste in Schwerin bei 7,2 Prozent, für ganz MV seien es 4,4 Prozent. Im vergangenen Jahr hatte Schwerin insgesamt 360.000 Übernachtungen. Ein moderater Anstieg internationaler Besucher sei wünschenswert, heißt es. 

Wäre Schwerin auf einen Boom vorbereitet?

In Schwerin reichen laut Stadt die Betten im Sommer nicht aus, um in den Übernachtungszahlen zu wachsen. „Dafür bräuchte es zusätzliche Kapazitäten“, sagt eine Sprecherin. „Wünschenswert wäre, wenn der Welterbetitel zu einer höheren Nachfrage und Auslastung in der Nebensaison führen würde.“ Landestourismusverbandschef Woitendorf betont die Chance, dass Schwerin international einen Schritt nach vorn machen könnte. „Aus der Chance heraus entstehen natürlich auch Anforderungen wie Mehrsprachigkeit, Digitalisierung sowie ein gutes Orientierungs- und Informationssystem für die Gäste der Stadt, damit das Entdecken des gekürten Areals für alle zum Erlebnis werden kann“, sagt er. Laut Stadt gehört zur Welterbe-Bewerbung ein Managementplan, der die Nutzung und Entwicklung der potenziellen Welterbestätte vorbereitet. „An und mit diesem werden wir in touristischer Hinsicht arbeiten“, so die Stadtsprecherin.

Droht eine touristische Übernutzung? 

Diese Gefahr wird bisher nicht gesehen, es überwiegen eindeutig die Hoffnungen. Tobias Woitendorf rechnet mit positiven Auswirkungen auf den MV-Tourismus insgesamt, da der Nordosten dann mit Wismar, Stralsund und Schwerin ein Weltkulturerbe-Trio vorzuweisen hätte. Die Unesco weiß jedoch: Ausufernder, unkontrollierter Tourismus kann zu einer Bedrohung für das Kultur- oder Naturerbe werden. In Schwerin würden sich die Besucherströme auf große Teile der Altstadt verteilen, das Residenzensemble umfasst mehr als 30 Bauten und Anlagen. Im Mittelpunkt steht das Schweriner Schloss, das mehr als 200.000 Besucher im Jahr zählt. Die Sommermonate sind schon heute sehr gut besucht, heißt es von den Staatlichen Schlössern, Gärten und Kunstsammlungen Mecklenburg-Vorpommern. 

„Grundsätzlich sind alle historische Schlösser, die zu Museen umfunktioniert werden, einer Nutzung ausgesetzt, die nicht ursprünglich vorgesehen war.“ Spuren finde man klassischerweise bei den Fußböden, sie würden durch Teppiche und Sauberlaufzonen geschützt. Auch Türrahmen könnten Abrieb erleiden. Man teile das Problem mit sehr vielen Häusern weltweit und stehe dazu im Austausch. Schutz- und Gegenmaßnahmen würden ergriffen. Wenn für den Fall, dass der Titel kommt, noch mehr Besucher das Schlossmuseum besuchen möchten, freue man sich sehr. „Aber entscheidend ist, dass der Titel erst einmal kommt – wir sind sehr gespannt.“