Rechtsexperte Maximilian Steinbeis begrüßt die Pläne von Ampel und Union zum Schutz des Bundesverfassungsgerichts vor Extremisten. Doch er warnt: Das Gesetz hat Grenzen.
Die Ampel-Parteien und die Union wollen das Bundesverfassungsgericht besser gegen extremistische Kräfte schützen. Vertreter der Parteien stellten dazu nun mit Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) gemeinsame Vorschläge vor. Demnach sollen unter anderem das Wahlverfahren und die Zahl der Verfassungsrichter im Grundgesetz festgeschrieben werden.
Rechtsexperte Maximilian Steinbeis begrüßt die Pläne im Gespräch mit dem stern. Gleichzeitig mahnt er, dass die Verfassung allein die Demokratie nicht schützen kann.
Die Ampel-Fraktionen und die Union wollen Eckpfeiler der Funktionsweise des Bundesverfassungsgerichts im Grundgesetz verankern. Warum halten Sie das für notwendig?
Wenn autoritäre Populisten an die Macht kommen, holen sie sich als erstes die Verfassungsgerichte vor die Flinte. Das haben wir in anderen Ländern gesehen, in Polen und Ungarn etwa. Auch das Bundesverfassungsgericht ist verwundbar: Im Bundestag reicht eine einfache Mehrheit, um die Verfahrens- und Organisationsgrundlagen des Gerichtes zu verändern und zu manipulieren.
Stünden diese Grundlagen im Grundgesetz, ließen sie sich nur mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat ändern. Warum waren sie bisher nur in einem Bundesgesetz geregelt?
Weil das ja auch grundsätzlich richtig war. Es geht nicht darum, das alles direkt ins Grundgesetz reinzuschreiben. Aber an ein paar Punkten sollte die Entscheidung einer einfachen Mehrheit im Bundestag entzogen werden. Insbesondere, was die Zusammensetzung des Gerichts betrifft.
Die Ampel und die Union wollen nun das Verfahren zur Richterwahl im Grundgesetz verankern. Gut so?
Ja. In manchen Bundesländern ist das richtigerweise längst so. Allerdings ist es damit auf Bundesebene nicht getan. Denn die Zweidrittel-Mehrheit, die für Wahl eines Verfassungsrichters im Parlament benötigt wird, birgt ein Dilemma: Sie ermöglicht Sperrminoritäten. Wenn eine autoritär-populistische Fraktion mehr als ein Drittel der Sitze hat, kann sie die Wahl blockieren. In Thüringen und Sachsen könnte dies nach den Landtagswahlen im September mit der AfD bereits der Fall sein. Deshalb braucht es auch für solch eine Situation eine Lösung.
Deshalb wollen die Beteiligten im Grundgesetz festschreiben, dass bei einer Blockade im Bundesrat das Wahlrecht auf den Bundesrat übergeht – und umgekehrt. Eine kluge Idee?
Unbedingt. Auf Bundesebene funktioniert das, weil man mit Bundestag und Bundesrat zwei Organe für die Richterwahl hat. Wenn also eines blockiert ist, kann man auf das andere ausweichen. Gerade im Bundesrat ist eine Blockade viel unwahrscheinlicher. Da müsste schon einiges zusammenkommen.
So wollen Ampel und Union das Verfassungsgericht besser schützen 13.35
Solange Richter politisch gewählt werden, birgt das immer ein Einfallstor für autoritäre Kräfte wie die AfD.
Richter müssen politisch gewählt werden, da gibt es keine Alternative. Wer über andere zu Gericht sitzen und Gesetze für verfassungswidrig erklären kann, muss demokratisch legitimiert sein. Die Frage ist: Wie können wir dem Missbrauch der Institutionen vorbeugen? Deshalb ist es gut, dass Regierungsfraktionen und die Union auch die Zahl der Senate und Richter im Grundgesetz verankern wollen, sodass dies politisch schwerer veränderbar ist.
Es gibt keinen Anlass, der AfD da zu vertrauen.
Derzeit schlagen CDU/CSU, SPD, Grüne und FDP abwechselnd Richter vor, allerdings allein auf der Grundlage politischer Absprachen. Lässt sich die AfD davon auf Dauer ausschließen?
Solange die AfD autoritäre Ziele verfolgt, hat die Demokratie das größte Interesse, diese Funktion nicht in ihre Hände fallen zu lassen.
In der Vergangenheit liefen die Richterwahlen ohne größere Kontroversen ab. Müssen wir uns angesichts des Erstarkens der AfD auf stärkere politische Kämpfe einstellen?
Auch jetzt schon bemühen sich die Parteien, ihnen ideologisch nahestehende Verfassungsrichter im Gericht zu platzieren. Das lässt sich nie ganz vermeiden. Entscheidend ist, dass die an der Besetzung mitwirkenden Parteien ein gemeinsames Interesse teilen, das Gericht nicht zu beschädigen. Dass sie es ein unparteiisches und unabhängiges Gericht bleiben lassen und keinem bestimmten politischen Ziel unterwerfen. Es gibt keinen Anlass, einer autoritär-populistischen Partei wie der AfD da zu vertrauen.
Kann man eine Demokratie per Gesetz schützen?
Darauf kann man sich nie verlassen. Auch nicht darauf, dass die Verfassung die Demokratie schützt. Es ist eher umgekehrt: Die Demokratie muss die Verfassung schützen. Jede Verfassung beruht auf einer Schicht von ungeschriebenen Konventionen, an die sich alle halten. Solange die Kräfte im politischen Wettbewerb diese Schicht nicht beschädigen, ist die Demokratie stabil. Tun sie es doch, ist die Demokratie in Gefahr.