Dirk Neubauer ist der einzige von Sachsens aktuellen Landräten, der nicht auf CDU-Ticket ins Amt kam. Jetzt wirft er nach nur zwei Jahren hin – und nennt Bedrohungen von rechts als einen Grund.

Der Landrat des Kreises Mittelsachsen, Dirk Neubauer (parteilos), tritt zurück. In einer persönlichen Erklärung auf seinen Social-Media-Kanälen begründete er den Schritt am Dienstag vor allem mit persönlichen Anfeindungen und fehlenden Durchsetzungsmöglichkeiten. Seine Amtszeit wäre noch bis 2029 gelaufen. 

Der gelernte Journalist war 2022 gewählt worden – als einziger Landrat in Sachsen, der nicht der CDU angehört oder von der Union unterstützt wird. Seine Kandidatur war von SPD, Linke und Grünen unterstützt worden. 

„Ich bin insbesondere aufgrund der Entwicklung der letzten Monate zu der Erkenntnis gelangt, dass es keinen Sinn macht, für mich hier an dieser Stelle weiter tätig zu sein. Das heißt, ich stelle mein Amt zur Verfügung zum nächstmöglichen Zeitpunkt“, sagte Neubauer. Der Kreistag solle im August über einen Termin für Neuwahlen noch in diesem Jahr entscheiden.

Diffuse Bedrohungslage von rechten Kräften

Als ersten Grund für seinen Rückzug nannte er Anfeindungen und Bedrohungen. „Ich bin seit Monaten konfrontiert mit einer persönlichen diffusen Bedrohungslage aus rechter Ecke, hauptsächlich Freie Sachsen und ähnliche“, sagte Neubauer. Es sei ein Punkt erreicht, an dem er sagen müsse: Es reicht. 

Er gehe aber nicht in die Knie „vor ein paar Krakeelern“, betonte der Noch-Landrat. Ausschlaggebend sei auch ein fehlender politischer Gestaltungswille in der Region. „Wir haben eine große konservative Mehrheit gegen die Themen, die jetzt wichtig sind.“ Er nannte die Energiewende, Mobilitätkonzepte für die ländliche Region und eine andere Wirtschaftsförderung. „Das alles findet keine Mehrheiten.“

Warnung vor Hass und Hetze

Mittelsachsen habe viele Probleme. Wenn sich der Landstrich nicht als weltoffene Region mit einem freundlichen Gesicht zeige, werde er diese Probleme nicht lösen. „Wir brauchen das und wir können es nicht mit Hass und Hetze hinbekommen“, sagte Neubauer.

Vor seiner Arbeit als Landrat war Neubauer seit 2013 Bürgermeister der Kleinstadt Augustusburg gewesen. Er war mehrere Jahre Mitglied der SPD, trat jedoch vor der vergangenen Bundestagswahl wieder aus. Auf seinem Facebook-Kanal hatte er bereits vor einigen Tagen Hinweise auf ein neues Projekt gegeben – eine Beratungsfirma. 

Politiker beklagen vergiftetes Klima im Land

Justizministerin Katja Meier bezeichnete Neubauer als „leidenschaftlichen Demokraten“. Er habe sich stets energisch gegen Hass, Hetze und Bedrohungen durch Rechtsextreme gestellt. „Seine Amtszeit war, wie die vieler anderer Kommunalpolitiker in Sachsen, von Einschüchterungen und politischem Stalking im privaten Umfeld geprägt. Diese massiven Angriffe schaden unserer Demokratie und müssen sowohl gesellschaftlich als auch rechtlich bekämpft werden.“

„Es macht mich fassungslos, wie hier ein Landrat zermürbt wurde“, erklärte Sozialministerin und SPD-Spitzenkandidatin Petra Köpping auf der Plattform X. „Wir alle sind Menschen. Wir alle ertragen den Hass und die Spaltung nur bis zu einem gewissen Grad. Wir sind hier wieder an einem Punkt, wo allen Demokraten dringend klar sein muss, was hier auf dem Spiel steht.“ 

Wolfram Günther: „Das muss ein Weckruf sein.“

„Wenn niemand mehr Ämter übernehmen will, geht die Demokratie kaputt. Das muss ein Weckruf sein. Für eine Gesellschaft, die Rechtsextremen widerspricht, für einen Staat, der Hass und Hetze konsequent verfolgt“, schrieb Umwelt- und Klimaschutzminister Wolfram Günther (Grüne) auf der Plattform X. 

Der sächsische SPD-CO-Vorsitzende Henning Homann nannte den Rückzug Neubauers menschlich verständlich, aber politisch eine Katastrophe. „Es ist inzwischen unerträglich, wie mit Menschen umgegangen wird, die für ihre Stadt, ihren Landkreis, ihr Land etwas anpacken wollten.“ Er kritisierte auch Teile der CDU in Mittelsachsen, die sich jeder Sacharbeit verweigert hätten.

Auch Linken-Politiker beklagten eine vergiftete gesellschaftliche Stimmung. „Dass Bedrohungen, bis vor die eigene Haustür, Politikerinnen und Politikern zum Rücktritt treiben, dürfen wir als Gesellschaft nicht hinnehmen. Es ist zudem ein Armutszeugnis für unsere Demokratie, wenn ein Landrat zum Schluss kommt, dass er außerhalb seines Amtes mehr bewirken könne“, erklärte Landeschef Stefan Hartmann und die mittelsächsische Kreisvorsitzende Marika Tändler-Walenta.

Die FDP Sachsen reagierte mit Bedauern und Unverständnis. Die Anfeindungen von rechts seien generell problematisch und nicht hinnehmbar. Gerade deshalb dürfte ein Landrat als Wahlbeamter weder selbst politisch polarisieren, noch bei Gegenwind die Flinte ins Korn werfen, hieß es.

Erst vorige Woche hatte die CDU-Bundestagsabgeordnete Yvonne Magwas aus dem Vogtland ihren Abschied aus der Politik angekündigt. Auch sie schrieb, dass sie Beleidigungen, Bedrohungen, aber auch viel Gleichgültigkeit erlebt habe. „Wenn unser Land diesen Weg weitergeht, wird es dunkel und kalt – darüber sollten sich mehr Menschen Gedanken machen, bei allen kleinen und größeren Unzulänglichkeiten.“