Keine Hoffnung auf Versöhnung: Am 50. Jahrestag des türkischen Einmarsches im Norden Zyperns haben beide Seiten ihre unterschiedlichen Visionen für die Zukunft der Mittelmeerinsel bekräftigt. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan lehnte am Samstag im türkisch kontrollierten Teil der Hauptstadt Nikosia erneute Gespräche über eine Wiedervereinigung Zyperns ab. Auf der anderen Seite der Demarkationslinie betonte derweil der Präsident der Republik Zypern, Nikos Christodoulides, für die Zyprer gebe es „keine andere Option“ als die Wiedervereinigung.

Erdogan nahm im Norden der geteilten Hauptstadt an einer Militärparade aus Anlass des Jahrestages teil. Er brachte dort seine Ablehnung einer Wiederaufnahme der bisher letzten, 2017 abgebrochenen Gespräche unter UN-Vermittlung über eine zyprische Wiedervereinigung zum Ausdruck. Dies wäre „für niemanden von Nutzen“, sagte Erdogan. „Wir glauben, dass eine föderale Lösung auf Zypern nicht möglich ist“, sagte Erdogan. 

Die Türkei sei zwar bereit, über „einen dauerhaften Frieden und eine Lösung“ zu verhandeln, führte Erdogan aus. Hierfür müsse aber die „türkisch-zyprische mit der griechisch-zyprischen gleichberechtigt am Tisch sitzen“. Die Republik Nordzypern, die 1983, neun Jahre nach der türkischen Invasion, ausgerufen worden war, wird allerdings weltweit einzig von der Türkei anerkannt. Erdogan hatte im Jahr 2021 gesagt, er befürworte eine fortgesetzte Teilung Zyperns in einen türkischen Nord- und einen griechischen Südteil.

Dagegen strebt Christodoulides einen gemeinsamen zyprischen Staat mit einer Föderation beider Sprachgruppen an. „Was auch immer Herr Erdogan und seine Vertreter in den besetzten Gebieten tun oder sagen, die Türkei ist auch 50 Jahre später noch für die Verletzung der Menschenrechte des gesamten zyprischen Volkes und für die Verletzung des Völkerrechts verantwortlich“, sagte der Staatschef der griechischsprachigen Republik Zypern im Südteil der Insel. Seine Regierung wolle weiterhin „alles tun, was möglich ist, um unser Land zu befreien und zu vereinen“.

Am frühen Samstagmorgen noch vor Sonnenaufgang waren in der  zur EU gehörenden Republik Zypern um 05.30 Uhr Ortszeit (04.30 Uhr MESZ) die Sirenen ertönt. Sie markierten den Zeitpunkt, zu dem im Jahr 1974 die türkische Armee die sogenannte Operation Atilla startete.

In ihrem Verlauf eroberte die Türkei ein Drittel des Gebiets der gesamten Insel, rund 40 Prozent der Bevölkerung wurden vertrieben. Ein halbes Jahrhundert nach den Kämpfen infolge der türkischen Invasion gelten nach Angaben des zyprischen Vermisstenkomitees bis heute 750 griechischstämmige und 200 türkischstämmige Zyprer als vermisst. 

Zu den Gedenkveranstaltungen in der Republik Zypern wurde für Samstagabend auch der griechische Regierungschef Kyriakos Mitsotakis erwartet. Im Mai hatte Mitsotakis Erdogan in Ankara besucht, was als Anzeichen für eine weitere Entspannung der griechisch-türkischen Beziehungen gewertet wurde.

Am 20. Juli 1974 waren die ersten türkischen Truppen im Norden Zyperns gelandet. Die Regierung in Ankara rechtfertigt die Invasion mit dem Schutz der türkischen Minderheit. Zuvor hatten Offiziere der griechisch-zyprischen Nationalgarde mit Unterstützung der damals in Griechenland regierenden Militärjunta den orthodoxen Erzbischof Makarios aus dem Amt des Präsidenten der Republik Zypern gejagt. Ihr Ziel war eine Vereinigung der Insel mit Griechenland, gegen die sich die Zyperntürken massiv wehrten.

Seit jenem Jahr ist die Insel politisch geteilt: Im türkisch besetzten Teil wurde 1983 die Republik Nordzypern ausgerufen, die weltweit einzig von der Türkei anerkannt wird und stark von der Unterstützung durch die Türkei abhängt. Die Grenze zwischen dem Teil unter Kontrolle der Republik Zypern und dem türkisch besetzten Teil verläuft bis heute unter anderem durch Nikosia, die heute die einzige geteilte Hauptstadt der Welt ist. Entlang der Grenze verläuft eine Pufferzone, die von einer UN-Friedensmission überwacht wird.