Tausende Mitarbeiter des US-Flugzeugbauers Boeing haben für einen möglichen Streik im Falle eines Scheiterns der laufenden Tarifverhandlungen gestimmt. Die Zustimmung lag bei 99,9 Prozent, wie die Gewerkschaft IAM Mittwochabend mitteilte. Die Gewerkschaft hatte das Votum in Form eines Massenevents in einem Baseball-Stadion im nordwestlichen Seattle organisiert. Der drohende Arbeitskampf dürfte der wegen einer Reihe von technischen Problemen bereits stark unter Druck stehenden Führung des Konzerns weitere Kopfschmerzen bereiten.

IAM verhandelt seit März mit Boeing über einen neuen Tarifvertrag, die Gespräche stecken nach Angaben der Gewerkschaft jedoch seit Wochen fest. Die Abstimmung führt nun nicht sofort zum Streik, dürfte aber die Verhandlungsposition der Arbeitnehmer stärken. „Wir wollen, dass das Unternehmen unsere Vorschläge ernst nimmt und ernsthaft verhandelt“, sagte der Gewerkschafter Jon Holden.

Der laufende Tarifvertrag wurde vor 16 Jahren geschlossen und läuft am 12. September aus. Bisher liegt kein konkretes Angebot des Arbeitgebers vor. Zum Streik würde es kommen, wenn die Arbeitnehmer ein tatsächliches Angebot nach Ablauf der Frist ablehnen. Die nun erfolgte vorläufige Zustimmung erlaubt es IAM, den Streik und insbesondere die Zahlung von Streikgeld vorzubereiten.

„Wir sind nach wie vor zuversichtlich, dass wir eine Einigung erzielen können, die die Bedürfnisse unserer Mitarbeiter und die wirtschaftlichen Realitäten, mit denen wir als Unternehmen konfrontiert sind, in Einklang bringt“, erklärte Boeing am Mittwochabend – exakt so hatte sich das Unternehmen bereits vor der Abstimmung geäußert. Unternehmenschef Dave Calhoun hat den Angestellten außerdem eine wie auch immer geartete Gehaltserhöhung versprochen.

Gewerkschafter Holden forderte eine „substanzielle“ Lohnerhöhung von mindestens 40 Prozent sowie Vorkehrungen für Gesundheitsfürsorge, Altersvorsorge und Arbeitsplatzsicherheit. Er bezeichnete eine kräftige Lohnerhöhung als zwingend erforderlich, nachdem die Beschäftigten in den vergangenen acht Jahren trotz „massiver Inflation“ nur minimale Erhöhungen zum Teuerungsausgleich erhalten hätten.

Die IAM vertritt insgesamt 32.000 Beschäftigte, 30.000 davon in Boeing-Werken in Renton und Everett in der Umgebung von Seattle, wo die Modelle 737 und 777 gefertigt werden. Im Falle eines Streiks würden beide Werke möglicherweise über Wochen stillstehen.

Boeing steht wegen Vorwürfen zu Sicherheitsmängeln an seinen Flugzeugen seit geraumer Zeit unter starkem Druck. Besonders großen Wirbel verursachte ein Vorfall im Januar, bei dem einer 737 MAX 9 von Alaska Airlines während des Fluges eine Kabinentürabdeckung abgefallen war, die Maschine musste notlanden.

Neben den technischen Pannen sorgen auch Berichte von Informanten über Mängel bei der Produktion sowie der Qualitätskontrolle für Druck. Der zum Jahresende ausscheidende Boeing-Chef Calhoun gelobte im Juni bei einer Anhörung im US-Senat Besserung bei den Sicherheitsstandards. Die Gewerkschaft IAM fordert nun auch, an den Bemühungen um neue Standards beteiligt zu werden.