Die USA wollen bei uns Marschflugkörper stationieren. Olaf Scholz kennt die Argumente der Kritiker in Deutschland gut – aus seiner eigenen Historie.
Olaf Scholz hat den Deutschen vom Nato-Gipfel etwas mitgebracht: Die USA wollen in Deutschland von 2026 an Marschflugkörper stationieren. Die sogenannten Tomahawks können rund 2500 Kilometer weit fliegen – von Berlin nach Moskau sind es etwa 1600 Kilometer. Benannt sind die Tomahawks nach einem axtartigen Werkzeug, das auch als Kriegsbeil benutzt wurde.
Das Kriegsbeil ist bei uns aus der eher pazifistisch angehauchten Redewendung bekannt, in der es begraben wird. Ausgerechnet die Tomahawks sollen dafür sorgen, dass das Kriegsbeil zwischen dem Westen und Russland begraben bleibt. Man nennt es Abschreckung.
Nun ist es so, dass die Linke, die AfD und die Sahra-Wagenknecht-Partei ihr Glück kaum fassen können, weil die geplante Stationierung ihnen jetzt schon ein tolles Thema für den Wahlkampf bietet. Allenthalben warnen sie mindestens vor einem Wettrüsten, schlimmstenfalls davor, dass Deutschland zum Kriegsschauplatz werden könnte. Assistiert wird ihnen von russischer Seite, wo der Kreml-Sprecher sagt, man werde eine „militärische Antwort ausarbeiten“.
Tatsächlich ist das Timing des Kanzlers immer wieder bemerkenswert, wenn es darum geht, seine politische Konkurrenz mit Wahlkampfmunition auszustatten. Kurz vor der Europawahl entschied er, dass die Ukraine nun auch bestimmte Ziele in Russland angreifen darf, was der SPD nicht zuträglich war. Und die Sache mit den Tomahawks hat Scholz kurz vor den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen öffentlich gemacht. Die Chance der SPD auf ein gutes Ergebnis ist dort so gering wie die Wahrscheinlichkeit, dass ich beim Graben in meinem Garten ein Kriegsbeil finde. Der Tomahawk, wenn der Kalauer gestattet ist, könnte sich für den Kanzler als Bumerang erweisen.
Olaf Scholz und die Raketen – das war mal anders
Andererseits zeigt Scholz damit, dass ihm das Interesse des Landes – jedenfalls das, was er als solches definiert – über das Interesse seiner Partei geht. Was getan werden muss, wird getan. Manche fühlen sich deshalb an Helmut Schmidt in den 80er-Jahren erinnert, als der Westen mit der Aufstellung von Pershing-Raketen auf die Bedrohung durch sowjetische SS-20-Raketen reagieren wollte.
Der Journalist Daniel Brössler beschreibt in seinem jüngst erschienenen Buch über Olaf Scholz, wie Schmidt im Januar 1982 auf dem Landesparteitag der SPD in Hamburg-Wandsbek den Nato-Doppelbeschluss verteidigte und dabei auf Widerstand eines jungen Mannes mit grauem Hemd und einer Brille mit eckigen Gläsern stieß.
Ein gewisser Olaf Scholz blamierte sich allerdings ein wenig, weil er von sowjetischen Computerfehlern in amerikanischen Systemen sprach. Seine Rede, schreibt Brössler, ging in Gelächter unter. Ein Jahr später, inzwischen regierte Helmut Kohl, wirkte Scholz aber erfolgreich daran mit, dass bei der großen Demonstration im Bonner Hofgarten sogar Willy Brandt gegen die Pershings redete, der sie unter Schmidt noch zähneknirschend akzeptiert hatte.
Sollten sich 2026 Anti-Tomahawk-Demonstranten auf der Straße des 17. Juni in Berlin versammeln, hat Scholz zwei Vorteile: Er weiß aus seiner Vergangenheit, wie sie denken. Und er könnte den Demonstranten anhand der Geschichte des Zusammenbruchs von Sowjetunion und Ostblock erläutern, dass er, als er noch dachte wie sie, letztlich unrecht hatte. Ein Nachteil könnte es sein, wenn Scholz bis dahin schon sein Amt als Kanzler verloren hätte. Immerhin wäre es ihm dann auch wie Helmut Schmidt ergangen.