Für Wanderungen in den Alpen sind Hütten fast unerlässlich. Trinken, essen und ausruhen – und im Gefahrenfall eine Zuflucht haben. Ein Trend macht große Sorgen und sorgt für einen Notruf.
In den Alpen sind nach Darstellung von Experten viele Hütten und Wege nicht zuletzt als Folge der Klimakrise gefährdet. „272 Schutzhütten und 50 000 km Wanderwege befinden sich in einer akuten Notlage. Sie drohen buchstäblich wegzubröckeln“, schreibt der Österreichische Alpenverein (ÖAV) in seiner Begründung für einen Notruf an die Regierung in Wien.
Um Hütten und Wege zu sanieren, seien in den nächsten Jahren 95 Millionen Euro nötig. Die durch den Klimawandel häufigeren Starkregen, Steinschlag, Felsabbrüche und die Hangrutsche machten die Instandhaltung des Wegenetzes aufwendiger als früher. „Die Kosten dafür haben sich in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt, die Zahlungen aus dem vereinsinternen Katastrophenfonds vervielfacht“, so eine ÖAV-Sprecherin.
Probleme im gesamten Alpenraum
Die Probleme seien nicht auf Österreich beschränkt, sondern glichen sich im gesamten Alpenraum, sagt der ÖAV-Experte Georg Unterberger. In Österreich müsse aktuell jedes Jahr eine knappe Handvoll Hütten schließen, deren Sanierung zu teuer sei. „Wenn jährlich drei oder vier Hütten aufgeben, klingt das wenig, ist aber ein Alarmsignal“, sagt Unterberger.
Die alpine Infrastruktur werde damit löchrig und einige Weitwanderwege verlören wichtige Anlaufpunkte. Generell stelle sich die Frage, warum alpine Vereine mit ihrer ehrenamtlichen Arbeit, die Österreich zu einem der beliebtesten Urlaubsländer fürs Wandern machten, keine ausreichende öffentliche Unterstützung bekämen.
Permafrost taut auf
Eines der Probleme ist, dass der Permafrost auftaut. Das Eis im Untergrund dient als Kitt. Taut es auf, wird das Gestein bröckelig und rutscht leichter ab, der Boden setzt sich. Bei Rund einem Drittel der 153 Hütten und Biwaks des Schweizer Alpenclub SAC könnten sich dadurch Schäden einstellen, sagt Ulrich Delang, Bereichsleiter Hütten beim Schweizer Alpenclub SAC. Bei der Rothornhütte bei Zermatt (Baujahr 1948) sorgte der Rückgang des Permafrostes für Risse in Wänden. „Wenn der Eisanteil im Boden sinkt, fließt Wasser ab und der Boden setzt sich“, sagt Delang. „Dann kann das Gebäude an einer Ecke um 20 Zentimeter sinken, an der anderen um 5 Zentimeter.“
Im Berner Oberland musste 2022 die Mutthornhütte oberhalb von Kandersteg auf rund 2.900 Metern nach 126 Jahren wegen Felssturzgefahr schließen. Ein Ersatzbau ist 2025 einen Kilometer weiter östlich geplant. In Österreich erhielt die Seethalerhütte im Dachsteingebirge schon vor einigen Jahren einen modernen Ersatzbau. Generell werden die Wege zur Hütte oft anspruchsvoller oder manchmal unpassierbar, weil Gletscher an der üblichen Stelle nicht mehr passierbar sind. Manchmal werden neue Wege angelegt.
Wassermangel im Hochgebirge
Eines der anderen Hauptprobleme der Hütten ist laut Unterberger den wenigsten Wanderern bewusst – der Wassermangel. „Es herrscht der Irrglaube, oben in den Bergen sei die Wasserversorgung kein Problem, aber das Gegenteil ist der Fall.“ Mangels Quellen seien die Hütten auf Wasser von Schneefeldern oder Gletschern angewiesen. Beides gehe aber zurück. Und der Regen falle inzwischen meist bei Unwettern, denen dann lange Trockenperioden folgten. Da die Tropfen vom Sturm gegen die Fassaden gepeitscht würden, statt gemächlich auf die Dächer zu fallen, müsse man umdenken. „Es gibt erste Hütten, da fangen wir das Regenwasser mittels der Fassaden auf“, sagt Unterberger, der auch Architekt ist.
Für die Gäste hat das Konsequenzen. Der Trend gehe zu massivem Wassersparen – also Waschlappen statt Dusche für Übernachtungsgäste und Plumps-Klo statt Wasserspülung. Schon jetzt koste eine Klospülung, wenn man die Auf- und Nachbereitung des Wassers mitberechne, mehr als zehn Euro, sagt der Experte. „Wir müssen wieder hin zur einfachen Hygiene.“
Hüttenstandorte stehen infrage
„Aber man stellt sich öfter die Frage: Ist ein Hüttenstandort noch gerechtfertigt oder müssen wir ganz schließen? Vor zehn, 15 Jahren haben wir uns diese Frage nicht gestellt“, sagt Delang. „Bei geplanten Bauvorhaben versuchen wir zu prognostizieren, welche Folgen die Klimaveränderung auf die bergsportliche Bedeutung des Gebiets in 20, 30 Jahren haben wird. Die Größe und Ausstattung der Hütte wird dem angepasst, auch ein Verzicht ist als Ultima Ratio eine Option.“ Eine neue Hütte als Ersatz für eine bisherige kostet nach Angaben von Delang vier bis fünf Millionen Franken.
Viele Wanderer unterschätzen die Gefahr durch große Hitze
Wie wichtig Hütten sind, zeigt sich gerade auch im Sommer mit seinen rasch wechselnden Extrem-Wetterverhältnissen. Zum einen drohten sintflutartige Regenfälle mit Steinschlag und Murenabgängen, zum anderen sorge an Hitzetagen ab 30 Grad Dehydrierung immer wieder für Notfälle mit Wanderern, sagt Stefan Winter vom Deutschen Alpenverein (DAV). Nach mehreren kühlen Regentagen rechneten viele nicht mit plötzlicher Hitze. „Gerade der schnelle Wechsel von kühlem Regenwetter auf Hitze kann die Leute bei ihrer Einschätzung überfordern. Sie sehen nur: schönes Wetter – nichts wie raus.“
Nach der Bergunfallstatistik des DAV, die alle zwei Jahre erscheint, liegen in der Sommersaison Herz-Kreislauf-Probleme, oft in Zusammenhang mit Hitze, an zweiter Stelle. Die zahlenmäßig meisten Unfälle geschehen regelmäßig durch Stürze beim Wandern – vielfach beim Abstieg, wenn die Wanderer müde sind. Außerdem ist die Stolpergefahr dann größer.
Auch wenn bisher der Sommer noch nicht so extrem war wie im Vorjahr mit diversen Wärmerekorden, gibt es beim DAV Befürchtungen, dass erneut Hütten wegen Wassermangels schließen müssen – wie im vergangenen Jahr die Neue Prager Hütte im Nationalpark Hohen Tauern in Österreich.