Auf dem Land kann es schon mal dauern, bis der Notarzt zur Stelle ist. Das Innenministerium plant ergänzend zur bisherigen Versorgung eine Lösung, die noch einen anderen Mehrwert bietet.
Das ländlich strukturierte Rheinland-Pfalz will als erstes Bundesland flächendeckend einen Telenotarzt einführen. Notfallsanitäter können dann bei ihren Rettungseinsätzen Notärzte über ein spezielles Gerät dazuschalten und deren Anweisungen umsetzen, wie Innenminister Michael Ebling (SPD) im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur in Mainz sagte. „Wir wollen die wertvolle Ressource Notarzt schützen.“
Nach SWR-Recherchen könnten Tausende Menschen in Deutschland jedes Jahr gerettet werden, wenn die Notfallversorgung besser aufgestellt wäre. Ob ein Patient nach einem Herzstillstand überlebe, hänge auch vom Wohnort ab. In Rheinland-Pfalz überlebten von mindestens 2.700 Reanimierten pro Jahr nur etwa 370, stellt der Sender fest.
SWR: Acht Minuten schaffen die Retter in keinem der acht Bezirke
Experten empfehlen dem SWR zufolge, dass die Retter in 80 Prozent der Fälle innerhalb von acht Minuten vor Ort sein sollten. In Rheinland-Pfalz sei das 2022 keinem einzigen Rettungsdienstbereich gelungen. Am besten schnitt danach der Bezirk Bad Kreuznach mit 54,84 Prozent der Fälle ab, gefolgt von Rheinhessen mit 49,2 Prozent. Im Bezirk Ludwigshafen war in 45,26 Prozent aller Fälle der erste Retter innerhalb von acht Minuten da, im Bezirk Kaiserslautern waren es 37,46 Prozent der Fälle und in der Südpfalz 35,91 Prozent. Am schlechtesten schnitten demzufolge Trier (29,65 Prozent), Montabaur (27,67 Prozent) und Koblenz (27,53 Prozent) ab.
Es gibt dem SWR-Bericht zufolge eine Reihe von Gründen, warum die medizinische Empfehlung im Land nicht eingehalten werden könne. Große Entfernungen, Staus und Baustellen sowie Personalmangel nennt der Sender als Beispiele.
Telenotärzte können schnell zugeschaltet werden, wenn es um Sekunden geht
Notärzte seien oft mit wahnsinnigem Zeitaufwand kreuz und quer im Land unterwegs, sagte Ebling. Bei dem zusätzlichen Telenotdienst könnten sie schnell zugeschaltet werden und den Sanitätern sagen, was sie untersuchen, verabreichen oder tun sollten. „Der Notarzt kann überall sitzen, es müssen nur ausreichend viele für die gesamte Fläche sein.“
„Die Telenotärzte können im Einzelfall auch andere Fachärzte wie beispielsweise einen Lungenfacharzt dazu holen“, ergänzte der Innenminister. Der nächste Schritt zu einem flächendeckenden Angebot solle im zweiten Halbjahr 2024 erfolgen. Die Erfahrungen mit dem Pilotprojekt seit 2023 an der BG Unfallklinik in Ludwigshafen seien durchweg positiv. Zunächst solle Trier dazukommen. Parallel liefen schon Gespräche mit der Unimedizin in Mainz, dem Bundeswehrzentralkrankenhaus in Koblenz und dem Westpfalz-Klinikum in Kaiserslautern.
Start des Pilotprojekts vor einem Jahr in Ludwigshafen
„Der Telenotarzt soll ergänzen“, hatte Ebling vor rund einem Jahr bei dem Start des Pilotprojekts in Ludwigshafen gesagt. „Die Sanitäterinnen und Sanitäter sind mit Augen, Ohren und Händen vor Ort, der Telenotarzt unterstützt vom notfallmedizinischen Zentrum mit fachlicher Unterstützung, wenn jede Sekunde zählt.“ Erfahrungen aus anderen Bundesländern zeigten, dass Notarztstandorte so entlastet werden könnten – und die Notärzte dann dort sein könnten, wo es am dringendsten sei.
Eine sogenannte telemedizinisch ärztliche Beurteilung könnte manchen Patientinnen und Patienten vermeidbare Transporte in Krankenhäuser ersparen. Dies entlaste gleichzeitig Notaufnahmen.