Die einen sorgen sich um „Kosten und Tumulte“, die anderen um „Okkultismus“: Die Schweiz diskutiert über die Austragung des ESC. Einige wollen einen Kniff der Schweizer Demokratie ausnutzen.
Nach dem Sieg von Nemo beim Eurovision Song Contest (ESC) in Malmö darf die Schweiz den vielbeachteten Musikwettbewerb 2025 zum ersten Mal seit langem wieder ausrichten. Zürich, Genf, Basel und die Hauptstadt Bern kommen als Austragungsorte in Frage, außerdem Nemos Herkunftsort Biel.
Welcher Austragungsort spätestens Ende August verkündet wird, ist aber nicht nur wegen der damit verbunden Kosten offen, sondern auch wegen einer Schweizer Eigenheit: den Volksabstimmungen.
ESC feiere „Satanismus und Okkultismus“
In der Eidgenossenschaft können die Bürger auf lokaler, kantonaler und nationaler Ebene Referenden fordern – auch über Fragen wie die Ausrichtung eines Musik-Events wie den ESC. Voraussetzung ist, dass genügend Unterschriften für das Ansinnen zusammenkommen. Und es ist damit zu rechnen, dass die christlich-fundamentalistische rechtsgerichtete Kleinpartei Eidgenössisch-Demokratische Union (EDU) diese Möglichkeit nutzt.
Die EDU versteht sich als Hüterin der „zeitlosen christlichen Werte“ und wirft dem ESC vor, „den Satanismus und Okkultismus zu feiern oder zumindest zu tolerieren“, wie der öffentlich-rechtliche Fernsehsender SRF unter Berufung auf EDU-Vorstandsmitglied Samuel Kullmann berichtete. Als Beleg verwies der Politiker demnach auf die teufelsartigen Hörner, die Bambie Thug beim ESC-Auftritt für Irland im Mai getragen hatte.
Sogar DJ Bobo satanisch?
Die EDU habe „den ESC und seine Teilnehmer auf dem Kieker“, bilanziert auch die Schweizer Zeitung „Le Temps“ und verweist darauf, dass die Partei 2007 eine Petition gegen den Beitrag des Schweizer Kandidaten DJ Bobo gestartet hatte. Die Partei verdammte den Song „Vampires Are Alive“ damals demnach als „satanisch“.
EDU-Chef Daniel Frischknecht wolle den farbenfrohen und bei der LGBTQ+-Community beliebten ESC in der Schweiz „mit allen Mitteln“ verhindern, schreibt „Le Temps“. Die Ortsvereine der Partei haben in Zürich und Bern bereits Maßnahmen für eine entsprechende Volksabstimmung eingeleitet, berichtet der französischsprachige Sender RTS. Den nächsten regulären Termin für Volksabstimmungen in der Schweiz gibt es allerdings erst nach der Entscheidung über den ESC-Austragungsort.
Die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG SSR), die über den ESC-Ausrichtungsort entscheidet, befürchtet, dass diesem dann per Referendum unvorhersehbare kostspielige Auflagen gemacht werden könnten. „Die finanziellen Verpflichtungen wären sicherlich weniger riskant ohne Verpflichtungen durch Referenden“, sagte der SRG/SSR-Sprecher im SRF, Edi Estermann.
ESC verursacht „Kosten und Tumulte“
In Zürich wie auch in Bern prüft die rechtspopulistische Partei derzeit die Möglichkeit lokaler Volksabstimmungen. Sie argumentiert, dass der ESC nicht nur Kosten, sondern auch Tumult verursache – wie etwa dieses Jahr in Malmö, als die Musikveranstaltung von Demonstrationen gegen Israels militärisches Vorgehen im Gazastreifen begleitet wurde.
Es sei daher nur recht und billig, wenn die Bürger vorab gefragt würden, argumentiert der Chef der Schweizer Volkspartei, Marcel Dettling. Die Vertreter seiner Partei in Basel und Genf hingegen stehen einer Ausrichtung des ESC positiv gegenüber, weil sie sich Einnahmen für die örtliche Gastronomie und den Tourismus davon versprechen.
Nemo nach dem Schweizer ESC-Sieg neben dem abgebrochenen Fuß des Sieges-Pokals
© ESC
Querelen über die Kosten von Großereignissen sind in der Schweiz keine Seltenheit. Das Alpenland richtet kommendes Jahr die Fußball-Europameisterschaft der Frauen aus. Die Regierung in Bern wollte die dafür bereitgestellte Summe von 15 auf vier Millionen Franken senken. Nach hitzigen Debatten setzte das Parlament diesem Vorhaben schließlich einen Riegel vor.