Wasser kocht immer bei 100 Grad? Stimmt nicht. In den Bergen blubbert es früher. Britische Forscher zeigen diesen Effekt auch bei einem Sturm – mit Auswirkungen auf die Teezubereitung.
Zuhause gelingt das Frühstücksei immer perfekt, aber beim Urlaub in den Bergen ist es noch schwabbelig, trotz gleich langer Kochzeit? Schuld an dieser Misere ist der veränderte Luftdruck in der Höhe. Doch auch wer den Sommer lieber am Strand verbringt, ist vor solchen Zwischenfällen nicht gefeit. Forscher haben herausgefunden, dass schlechtes Wetter ebenfalls das Wasserkochen beeinflussen kann – und damit Tee, Ei und Spaghetti.
Wichtig bei der Zubereitung dieser Lebensmittel ist der Siedepunkt. Meist heißt es: Wasser siedet bei 100 Grad, also geht dann vom flüssigen in den gasförmigen Zustand über. Doch diese Regel gilt nur bei Normalbedingungen auf Meereshöhe, bei 1013,25 Hektopascal. In den Bergen fängt das Wasser – bei sonst gleichen Bedingungen – schneller an zu kochen, schon bei Temperaturen unter 100 Grad. Die Faustregel heißt: Pro 300 Meter Höhe sinkt der Siedepunkt um ein Grad.
Tiefdruckgebiet oder Höhe: Die Physik unterscheidet nicht
Auch Tiefdruckgebiete sorgen für einen veränderten Luftdruck. Als im November 2023 der Sturm „Ciarán“ über Großbritannien hinwegzog, holte Caleb Miller von der University of Reading in der Abteilung für Meteorologie schnell seine Messgeräte hervor. So konnten er und seine Kollegen einen direkten Zusammenhang zwischen dem tiefen Druck am Morgen des 2. November und der Siedetemperatur feststellen. Teilweise wurden nur 953,6 Hektopascal gemessen – und das Wasser kochte bei unter 98 Grad.
Wie die Forscher in ihrer Studie im Fachjournal „Weather“ beschreiben, konnten deshalb möglicherweise Millionen Briten ihren Tee nicht richtig kochen. „Das liegt daran, dass Tee sehr empfindlich auf die Temperatur des für die Zubereitung verwendeten kochenden Wassers reagiert, was mit der Wirksamkeit der Extraktion der Tannine aus dem Tee zusammenhängt.“ Für schwarzen Tee würden 98 bis 100 Grad empfohlen. Der Frühstückstee an diesem Tag sei also bei vielen Menschen wohl etwas schwach ausgefallen.
Effekte größer als gedacht
„Wie viele Briten brauche ich meine morgendliche Tasse Tee“, meinte Hauptautor Giles Harrison. „Ich weiß zwar, dass der Siedepunkt von Wasser vom Luftdruck abhängt, aber ich habe nicht damit gerechnet, dass ein Sturm die Temperatur des kochenden Wassers außerhalb des empfohlenen Bereichs für die Zubereitung von gutem Tee bringt.“
Auch wer zu der Zeit im Süden von Großbritannien ein Frühstücksei kochen wollte, musste ein paar Sekunden länger warten als sonst. Denn die Garzeit hängt von der Temperatur ab. Herrscht ein niedrigerer Druck, verdampft das Wasser schon bei unter 100 Grad, ohne noch heißer zu werden. Bei so einer verringerten Kochtemperatur dauert es länger, bis das Ei fest wird. Auch Nudeln brauchen dann mehr Zeit.
Kein Osterei im Himalaya
Übrigens: Auf dem höchsten Berg der Welt, dem Mount Everest, könnte man gar kein Ei mehr kochen, wie der Geophysiker Roland Pail von der TU München erklärt. „Der Dotter stockt zwar noch, aber das Eiweiß gerinnt erst bei 84 Grad.“ Diese würden dort oben nicht mehr erreicht – es sei denn, man schleppte einen Druckkochtopf hinauf. Und auch auf einer Berghütte in den Alpen seien die Effekte relevant: „Ein normales Osterei dauert auf Meereshöhe neuneinhalb Minuten, auf tausend Meter Höhe schon etwas mehr als zehn Minuten.“