Die Schüsse auf US-Präsident Ronald Reagan machten ihn zum Helden. Dem Attentat auf John F. Kennedy folgte die Stärkung der Bürgerrechte. Opfer von Anschlägen profitieren nicht selten von der Tat.
„Ich bin entsetzt, dass die Gewalt so überhandnimmt. Was ist das für ein Land?“, klagte der US-Demokrat Mike Mansfield nach den Schüssen auf den Präsidentschaftskandidaten in spe. Acht Mal feuerte Sirhan Sirhan kurz nach Mitternacht auf Bobby Kennedy, Bruder des ebenfalls ermordeten Ex-US-Präsidenten John F. Kennedy. Er starb einen Tag später am 6. Juni 1968 – genau zwei Monate nach dem tödlichen Attentat auf Martin Luther King.
„Wir lösen unsere Meinungsverschiedenheiten an der Wahlurne. So machen wir es – an der Wahlurne, nicht mit Kugeln“, sagt Joe Biden nun, 56 Jahre später, nachdem sein Kontrahent Donald Trump bei einem Wahlkampfauftritt nur haarscharf einen Anschlag überlebt hat. Die Worte des US-Präsidenten sind aber eher Beschwörung als Realität – wie nicht nur die Gewaltakte gegen die Kennedys und den schwarzen Bürgerrechtler zeigen.
„Zentimeter von einem Bürgerkrieg entfernt“
Anders als manch anderer Politiker (und ein Zuschauer im Publikum von Butler, Pennsylvania) hat Trump das Attentat überlebt. Was passiert wäre, hätte Schütze Thomas Matthew Crooks mit seinem Gewehr nur eine Winzigkeit nach rechts gezielt, möchte sich Arie Perliger kaum ausmalen: „Mein erster Gedanke war, dass wir nur wenige Zentimeter von einem möglichen Bürgerkrieg entfernt waren“, sagt der Extremismusforscher im stern-Interview.
Der Fluch des Kennedy-Clans Die Dynastie 1415
Dieses Schreckensszenario ist für die polarisierten USA natürlich noch immer möglich, doch auch weit weniger dramatische Folgen sind denkbar – jedes der vielen Attentate auf politische Führungsfiguren hat die Koordinaten der politischen Auseinandersetzung verschoben. Mal mehr, mal weniger heftig:
Das erste prominente Todesopfer der US-Politik war Abraham Lincoln, der 1865 im Ford’s Theatre in Washington ermordet wurde – nur wenige Tage nach Ende des Bürgerkriegs. Der Sklavereigegner wollte eigentlich die Rechte von Afroamerikanern ausweiten, vor allem für schwarze Soldaten. Doch dazu kam es nicht. Sein Nachfolger im Amt, Andrew Johnson, blockierte jeden dieser Versuche. Lincolns Tod verzögerte so den Prozess zur Gleichberechtigung.
Attentate, die die Welt schockierten und veränderten 1415
William McKinley war der 25. Präsident der USA und wurde 1901 nach einer Rede von einem Anarchisten ermordet. McKinley starb nicht sofort nach dem Attentat, sondern erst später an Wundbrand. Bemerkenswert waren nicht so sehr die politischen Folgen, die sein Tod zur Folge hatte, sondern sein Nachfolger: Am 14. September wurde Theodore Roosevelt im Alter von nur 42 Jahren zum Präsidenten vereidigt.
Roosevelt gilt als erster „moderner“ Präsident der USA, 1906 erhielt er als erster Amerikaner den Friedensnobelpreis, nach ihm wurde der Teddybär benannt. 1912 wurde ebenfalls auf ihn geschossen, er überlebte das Attentat. Bis heute gilt Roosevelt als beliebtes früheres Staatsoberhaupt.
JFKs Nachfolger setzte Civil Rights Act durch
Anders als nach dem Tod Lincolns nahmen wichtige Reformen erst durch den Tod von John F. Kennedy Fahrt auf. Der 35. US-Präsident wurde 1963 in Dallas auf seiner Fahrt durch die Stadt erschossen. Die politische Agenda des äußerst beliebten jungen Demokraten wurde für einen Großteil der Amerikaner nach dem Anschlag nahezu unwiderstehlich. Jahrelang hatten Kennedy und die Bürgerrechtsbewegung vergeblich versucht, die Diskriminierung von Schwarzen zu beenden. JFKs Nachfolger Lyndon B. Johnson gelang es dann, den von Kennedy vorgeschlagenen Civil Rights Act durchsetzen.
Wenige Monate vor Kennedys Ermordung hielt ein schwarzer Pastor und Bürgerrechtler eine der berühmtesten Reden der jüngeren Geschichte: Auf dem „Marsch nach Washington“ sprach Martin Luther King vor 250.000 Teilnehmern die mittlerweile legendären Worte „I have a dream“. 18 Monate später erhält er der Friedensnobelpreis, vier Jahre später wird er von einem Rassisten im Memphis erschossen.
Auch dieser Tod erschüttert das Land. In mehr als 100 Städten gehen die Menschen auf die Straßen, es kommt zu Ausschreitungen und Krawallen. 40 Menschen sterben, Tausende werden verletzt. Wenige Tage nach dem Attentat verabschiedet der US-Kongress ein Gesetz, das Schwarze bei Mieten und Hauskäufen mit Weißen gleichstellen soll. Auch im fernen Berlin ist eine „Black-Power-Demo“ geplant, die aber vom gewaltsamen Tode von Studentenführer Rudi Dutschke überschattet wird.
Nach den turbulenten 60er Jahren kehrte etwas Ruhe ein. Doch besonders lange hielt sie nicht. US-Präsident Gerald Ford überlebte 1975 innerhalb von nicht einmal drei Wochen gleich zwei Anschläge auf sein Leben. Verletzt wurde er aber nicht. Anders als der Gouverneur des US-Bundesstaates Alabama, George Wallace, der drei Jahre zuvor angeschossen wurde und danach gelähmt war.
Ronald Reagan wurde nach dem Attentat zum beliebtesten US-Präsidenten
Auch Ronald Reagan überlebte im März 1981 ein Attentat. Der frühere Hollywood-Star saß gerade erst seit zwei Monaten im Weißen Haus, als der 25-jährige John Hinckley das Feuer auf den US-Präsidenten eröffnete. Ein Querschläger streckte Reagan nieder, er musste notoperiert werden. Doch gerade einmal 26 Tage später übernahm er wieder die Regierungsgeschäfte.
Reagans Popularität stieg nach dem Attentat stark an, drei Jahre später wurde er mit fast 60 Prozent der Stimmen wiedergewählt. In seiner zweiten Amtszeit handelte er Abrüstungsverträge mit der Sowjetunion aus, vielen Amerikanern, vor allem konservativen, gilt er als bester Präsident aller Zeiten.
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Ob Donald Trump, seine Politik oder beides ebenfalls vom Attentat auf den Ex-Präsidenten profitieren werden, ist noch nicht absehbar – aber wahrscheinlich. Allein das bereits jetzt schon ikonische Bild des angeschossenen Republikaners mit erhobener Faust dürfte als Bestätigung für Trumps Image als furchtloser Kämpfer taugen.
Quellen: DPA, Reuters, AFP, Reagan-Library, ZDF, Deutsche Welle, Deutsches Historisches Museum