Chefkoch Poul Andrias Ziska hat sein Gourmetrestaurant „Koks“ von den Lofoten in die Abgeschiedenheit Grönlands verlegt. Der stern hat das 18-Gänge-Menü der New Nordic Cuisine in Ilimanaq ausprobiert.
Schon die Anreise zum Restaurant „Koks“ wird zum Abenteuer. Da es keine Straßenverbindung nach Ilimanaq gibt, kann die Siedlung an der Westküste Grönlands nur per Boot erreicht werden. Doch das Wassertaxi muss sich von Ilulissat aus, wo eine Piste für Propellermaschinen existiert, jedes Mal einen anderen Weg durch das Labyrinth von Eisbergen bahnen. Während der Slalomfahrt schlagen die Eisblöcke von dem ins mehr kalbenden Gletscher Sermeq Kujalleq unaufhörlich gegen den Bootsrumpf.
Das „Koks“ liegt in einem typisch grönländischen Dorf mit roter Holzkirche, einem Handels- und Missionsposten aus der frühen dänischen Kolonialzeit. Gerade mal 55 Menschen leben hier, 300 Kilometer nördlich des Polarkreises. Es gibt keine Autos in Ilimanaq. Im Sommer parken die ungenutzten Schneemobile neben den bunten Häuschen, und die angeketteten Schlittenhunde dösen in der Sonne vor sich hin.
Am Hafen stehen zwei der historischsten Gebäude des ganzen Landes. Sie wurden im 17. Jahrhundert von Poul Egede errichtet, dem Sohn des bekannten Missionars Hans Egede. Poul war es auch, der aufgrund seiner guten Sprachkenntnisse 1750 das erste grönländische Wörterbuch und später die erste Grammatik erstellte sowie die Bibel ins Grönländische übertrug.
Durch den dänischen Verein Realdania By & Byg wurden die Holzhäuser ab 2014 grundlegend saniert. Der alte Kaufmannsladen dient heute als Rezeption für die Ilimanaq Lodge, das Obergeschoss als Restaurant „Egede“. Ins Nachbarhaus aus dem Jahre 1751 zog das „Koks“ ein, das sich „the most remote Restaurant in the world“ nennt.
Geschmacksdestillation auf das Wesentliche
Es handelt sich um eine Dependance des „Koks“ von den Färöer-Inseln, das wegen Neubauplänen schloss und in dem sich Poul Andrias Ziska 2019 den zweiten Michelin-Sterne erkocht hatte.
Der Umzug 2022 in eine noch abgelegene Region änderte auch die Verarbeitung und Zutaten für die Gerichte. Doch der zunächst scheinbare Mangel an Obst und Gemüse im hohen Norden hat die Kreativität und den Mut des Küchenteams eher gefördert, wie zum Beispiel das Gericht „Seegurke mit Rentierzunge und fermentierten Lauch“ zeigt.
Zutaten aus Fjord und Fjell
Bei den 18 Gängen des Degustationsmenüs wird vor allem auf Meeresfrüchte zurückgegriffen, von Heilbutt über Schneekrabbe, Schwertmuscheln und Seetang bis zu Walfett. Bei der Zubereitung kommen alte Konservierungstechniken wie Trocknen, Fermentieren, Räuchern und Salzen zum Einsatz, die selbst gewohnten Ingredienzien einen neuen geschmacklichen Dreh geben.
Getafelt wird in den kleinen Räumen an Tischen bis zu sechs Personen, auch oben unterm Dach im einstigen Gästezimmer des Egede-Anwesens. Die Weinkarte wird digital per Tablet gereicht und listet auf fast 30 Seiten unerwartete Schätze auf, sogar einen Weißwein aus dem katalanischen Priorat.
Welcher Aufwand in der Küche für jeden Gang betrieben wird, merken die Gäste an der erforderlichen Zeit: Bis zu sechs Stunden kann sich der Abend im „Koks“ hinziehen, mal auf Glastellern serviert, mal auf Keramikquadern zu ästhetischen Kunstwerken aufbereitet.
Dafür sind die sinnlichen Erlebnisse an Gaumen und Zunge einzigartig, ebenso die Entdeckungen bei dieser kulinarischen Expedition in ungeahnte Geschmackvariationen aus Fjord und Fjell, wie „Walfett mit roter Beete an Johannisbeerblatt“, so der letzte Gang kurz vor Mitternacht.
Doch Fisch muss man mögen. „Vegane oder vegetarische Menüs bieten wir nicht an, und Wünsche nach einem fisch- und schalentierfreien Menü können wir leider nicht berücksichtigen“, heißt es versteckt auf der Homepage. Nur zahlungskräftige Touristen sind im „Koks“ anzutreffen – und so gut wie nie Einheimische.
Infos: Die dritte Saison des „Koks“ in Ilimanaq dauert noch bis zum 7. September 2024. Das „Tasting Menu“ kostet 3200 Dänische Kronen (430 Euro), 1800 Dänische Kronen (240 Euro) die siebengängige Weinbegleitung
Quellen: „Koks“, „Visit Greenland“
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