Seit 100 Jahren fasziniert sie die Besucher des Frankfurter Senckenberg Naturmuseums – nun ist die Riesenschlange mit Beute im Maul zurück. Die Restaurierung war alles andere als einfach.
Eines der berühmtesten Exponate des Senckenberg Naturmuseums ist zurück: die Riesenschlange, die ein Wasserschwein hinunterwürgt. Über ein Jahr lang wurde das rund 100 Jahre alte Präparat restauriert. Nun ist das spektakuläre Objekt zurück. Zu seinem Schutz wird es in einer neuen temperatur- und feuchtigkeitsregulierenden Vitrine gezeigt.
Die Präparatoren haben Risse ausgebessert, Verunreinigungen entfernt und Haare einzeln auf dem Hinterteil des Wasserschweins platziert, wie Senckenberg-Präparator Udo Becker und Restauratorin Kathrin Sündermann berichteten. Hilfe bekamen sie vom Zoo Frankfurt und aus anderen Museen, denn die Restaurierung des Objektes war laut Senckenberg „so vielschichtig wie bei einem Alten Meister“.
Von 100 Mark zu unschätzbarem Wert
„Dieses Objekt ruft Emotionalität hervor“, sagte Forschungsdirektor Andreas Mulch bei der Enthüllung der Vitrine, „und diese Emotionalität brauchen wir für einen verantwortungsvollen Umgang mit der Natur“.
Die Anakonda wurde den Annalen des Museums zufolge 1924 von einem Trophäenjäger am Amazonas in Brasilien erlegt. 1925 kaufte der damalige Direktor des Senckenberg-Museums einem Hamburger Naturalienhändler die Schlangenhaut ab – für 100 Mark, aktuell wären das etwa 430 Euro. „Heute ist das Exponat von unschätzbarem Wert“, sagte Mulch.
Das Paar war viel unterwegs – zu viel
Dass das Paar ein „Inszenierung“ ist, wie Museumsdirektorin Brigitte Franzen zugibt, macht die Szene nicht weniger eindrucksvoll: Die fünf Meter lange Schlange hat ihre Beute vermutlich vorher erwürgt. Dann hängt sie ihr Kiefer aus und stülpt sich darüber. Keine einfache Sache, Wasserschweine sind immerhin die größten Nagetiere der Welt. Von einem so großen Capybara ist die Anakonda dann auch ein Jahr lang satt.
In den rund 100 Jahren hat das Paar so einiges erlebt. Im Zweiten Weltkrieg wurde es in eine Scheune in Nordhessen ausgelagert, später zu Werbezwecken von einem Kaufhaus ausgeliehen. Dabei entstanden immer mehr Schäden, die ausgebessert und überarbeitet werden mussten, wie Restauratorin Kathrin Sündermann berichtete.
„Unsere Mona Lisa„
Das rund 20-köpfige Team bekam Hilfe vom Frankfurter Zoo, wo die Direktorin persönlich das Objekt röntgte, um zu sehen, was eigentlich innen drin ist (Antwort: Gips). Experten des Offenbacher Ledermuseums halfen bei der Frage, wie man am besten mit den Rissen und Blasen in der Haut umgeht.
Ein Gemälderestaurator des Städel unterstützte das Team bei der Wiederherstellung der Bemalung im Halsbereich. Bei der Enthüllung der Vitrine nannten die Mitarbeiter das Exponat liebevoll „unsere Mona Lisa“.
Jedes Haar einzeln angeklebt
Senior-Kurator Thorolf Müller klebte während der Restaurierung tatsächlich jedes einzelne Haar am Hinterteil des Wasserschweins an. In der neuen Fassung ist auch der Trick nicht mehr zu sehen, mit dem der Schöpfer des Exponats es schaffte, das Maul über das Wasserschwein zu stülpen: Er schnitt die Haut in Streifen und füllte die Lücken mit Wachs aus.
Seit Februar war das Duo „im Wellnessurlaub“ und sorgte besonders bei kleinen Besuchern für Enttäuschung. Mit einem QR-Code konnten sie der Anakonda Fragen stellen. Gefragt wurde unter anderem: Was gibt’s zum Nachtisch? Ein Junge malte Anakonda und Wasserschwein in einer alternativen Szene: als Freunde. Die häufigste Frage aber war: „Wann kommst Du wieder?“
Senckenberg zu Exponat