Viele Menschen in Sachsen-Anhalt stehen vor der Rente. Die Besetzung offener Stellen wird gleichzeitig immer schwieriger, beobachtet die Arbeitsagentur. Kann die Politik helfen?
Stellen von Fachkräften können in Sachsen-Anhalt häufiger nicht besetzt werden. Im vergangenen Jahr zeigten sich in 23 Berufsgruppen Engpässe bei der Besetzung offener Stellen, teilte die Regionaldirektion der Arbeitsagentur mit. Demnach seien es 2022 noch drei Gruppen weniger gewesen. Gleichzeitig gebe es mehr Berufsgruppen, die kurz vor einem Engpass stehen.
Vor allem bei Pflege- und Gesundheitsberufen sowie im verarbeitenden Gewebe ist die Lage den Angaben zufolge schwer. Zu Engpässen käme es auch bei technischen Berufen, vor allem im Bereich Mechatronik und Automatisierungstechnik, sowie in der Bauplanung, in der Gastronomie und im Lebensmittelverkauf. Hinzugekommen seien die Berufsgruppen der Köche, Tischler sowie die Tiefbau- und Ausbauberufe. Beobachtet werde neuerdings auch die Nachbesetzung von Lehrerstellen.
Geburtenstarke Jahrgänge verlassen nach und nach den Arbeitsmarkt
„Hauptgrund ist die demografische Entwicklung. Immer mehr Menschen der geburtenstarken Jahrgänge gehen in Rente“, erklärte der Vorsitzende der Arbeitsagentur in Sachsen-Anhalt, Markus Behrens. Auch bei einer zuletzt gesunkenen Arbeitslosigkeit könnten Betriebe ihre freien Stellen aber oft nicht nachbesetzen, weil Fachkräfte fehlen. „Dieser Trend wird sich fortsetzen.“ Insgesamt waren in Sachsen-Anhalt im vergangenen Jahr durchschnittlich 41.700 Stellen gemeldet.
Das Land versucht nach eigenen Angaben mehr Menschen in Berufe zu bekommen, in denen Fachkräftemangel droht. Sowohl das Sozial- als auch das Wirtschaftsministerium haben dabei eigene Programme für Schülerinnen und Schüler aufgelegt. Das Sozialministerium setzt auf Berufsorientierungsangebote am Übergang von Schule in den Beruf, das Wirtschaftsministerium hat erst kürzlich die Praktikumsprämie, die Schüler für Praktika im Handwerk bekommen, auch auf landwirtschaftliche Berufe ausgedehnt.
Fokus auf Schülern und ausländischen Fachkräften
Ein weiterer Schwerpunkt ist nach Angaben des Sozialministeriums die Anwerbung ausländischer Fachkräfte. Neben einer Kooperation mit dem südamerikanischen El Salvador zur Ausbildung von Pflegekräften in Wittenberg sei das Welcome Center die erste Anlaufstelle im Land für ausländische Fachkräfte, erklärte ein Ministeriumssprecher. Die Investitions- und Marketinggesellschaft hat erst kürzlich zusammen mit dem Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) zwei Kooperationsabkommen geschlossen. Dadurch sollen nicht für das Gastgewerbe Auszubildende aus Vietnam rekrutiert werden, sondern zusätzlich auch für das Handwerk.
Außerdem soll demnächst ein neues Landesprogramm starten, das ausländischen Arbeitskräften bei der Orientierung in Sachsen-Anhalt und in Deutschland helfen soll. Mit sogenannten „Job Buddys“ bekämen Kommunen, Kammern, Verbände und Bildungsträger künftig eine Art Kümmerer-Struktur, damit die soziale und berufliche Integration nachhaltig gelinge und Betriebe entlastet würden.
Auch andere Bundesländer betroffen
Die Ergebnisse der Engpassanalyse seien nicht überraschend, sagte ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums. Sie beträfen auch andere Bundesländer. Ziel sei es, die Unternehmen in Sachsen-Anhalt bei der Suche nach qualifiziertem Personal zu unterstützen.
Für die Analyse der Engpässe auf dem Arbeitsmarkt wurden einzelne Berufsgruppen nach Angaben der Arbeitsagentur anhand von sechs Indikatoren bewertet, darunter die Besetzungsdauer gemeldeter Stellen, die berufsspezifische Arbeitslosenquote und die Entgeltentwicklung.