Weg vom Steuer, Umsteigen auf Bus und Bahn. In Niedersachsen werden Umtausch-Aktionen unter dem Motto „Fahrschein statt Führerschein“ von Senioren genutzt. Wo ist das überall möglich?

Das Thema Führerschein im Alter ist sensibel. Für Menschen, die ihren „Lappen“, wie man ihn früher manchmal nannte, freiwillig abgeben wollen, locken Städte und Regionen in Niedersachsen mit kostenlosen ÖPNV-Jahrestickets. In Hannover kommt das Angebot besonders gut an. Bereits 6.600 Seniorinnen und Senioren beteiligten sich an der Aktion „Fahrschein statt Führerschein“. 

Wer seinen Führerschein dauerhaft abgibt, bekommt im Gegenzug die Seniorennetzkarte für das gesamte Üstra/GVH Tarifgebiet für ein Jahr geschenkt. „Wir haben hundert Führerscheinabgaben pro Monat. Ich würde schon sagen, das ist sehr erfolgreich“, sagte ein Sprecher der Üstra über das Projekt, das seit zwei Jahren läuft. Nach der Sommerpause werde man es bewerten und möglicherweise verlängern. Rund 90 Prozent der Senioren, die das Angebot annehmen, seien älter als 70 Jahre. 

Fast die Hälfte – nämlich 45 Prozent – der Fahrgäste, bleiben auch nach den zwölf Monaten mit dem Gratis-Ticket bei Bus und Bahn. Dies sei positiv, sagte der Üstra-Sprecher: „Damit führen wir dem öffentlichen Nahverkehr reichlich Gäste zu.“ Weil die Stadtbahn in ihrer Taktung attraktiv sei, kommen dem Sprecher zufolge 65 Prozent der Interessenten aus der Stadt Hannover, 35 Prozent aus dem Umland. Voraussetzung für die Teilnahme an dem Projekt ist, dass die Personen mindestens 60 Jahre alt und im Ruhestand sind und ihren Hauptwohnsitz in der Stadt oder Region Hannover haben. 

In Bremen gibt es diese Möglichkeit bisher nicht, in Bremerhaven schon. Das sogar lebenslange kostenlose ÖPNV-Ticket für Senioren bei Führerscheinverzicht startete im April 2023 als Baustein des kommunalen Klimapaktes. Im ersten Jahr wurden von Bremerhaven Bus insgesamt 1.118 „Umsteigen-70-Tickets“ ausgestellt, wie die Stadt mitteilte. Seit Anfang des Jahres kommen zwischen 15 und 30 Tickets monatlich dazu.

Nicht nur in Städten gibt es das ÖPNV-Angebot

Auch das Wendland lockt mit einem kostenlosen ÖPNV-Jahresticket bei freiwilligem Fahrerlaubnisverzicht. Im Landkreis Lüchow-Dannenberg können ältere Bürger das Jahresticket jedes Jahr erneut für das Folgejahr beantragen. 

Senioren, die in Emden ihren Führerschein freiwillig abgeben, dürfen in der ostfriesischen Seehafenstadt schon seit mehr als zehn Jahren gratis Bus fahren. „Die älteren Verkehrsteilnehmer empfinden unser Angebot als sehr positiv, da es auch auf Freiwilligkeit basiert. Wir sind mit der bisherigen Resonanz zufrieden“, teilte ein Stadtsprecher mit. Im Schnitt würden so pro Jahr etwa 13 Fahrerlaubnisse abgegeben. Das Ticket gilt für ein Jahr im gesamten Busnetz der kleinsten kreisfreien Stadt Niedersachsens

Der Umtausch ist laut Stadtverwaltung simpel: Die Senioren unterschreiben eine Verzichtserklärung für ihre Fahrerlaubnis, daraufhin wird der Führerschein auf Wunsch entwertet. Das Kraftfahrtbundesamt wird darüber informiert. Gegen Vorlage eines Formblatts und eines Passfotos erhalten die Senioren dann eine Fahrkarte. 

Sechs Monate kostenfrei Bus und Bahn

Bereits seit 2021 gibt es im Bereich des VSN – in den Landkreisen Göttingen, Northeim und Holzminden – die Möglichkeiten, den Führerschein gegen sechs Monate kostenfreie Bus & Bahn-Fahrten zu tauschen. Das Angebot gilt für alle ab 65 Jahren, die ihren Führerschein bei der zuständigen Führerscheinstelle abgeben oder ihn bei der Polizei entwerten lassen.

Der Sichere-Fahrt-Schein gilt ein halbes Jahr lang, danach lässt er sich beispielsweise in ein Senioren-Jahres-Abo zum Preis von 59 Euro monatlich oder in ein Deutschlandticket umwandeln. Dieses Angebot nutzten seit der Einführung 2021 insgesamt 1.029 Personen. Monatlich geben etwa fünf bis zehn Personen ihre Führerscheine ab und nutzen das Angebot.

Es gibt unterschiedliche Ansichten darüber, inwiefern ältere Menschen im Straßenverkehr ein Risiko darstellen. Laut dem Deutschen Verkehrssicherheitsrat liegt der Anteil von Menschen im Alter über 65 Jahren an der Gesamtbevölkerung derzeit bei etwa 22 Prozent. Aber nur etwa 14,5 Prozent aller Unfallbeteiligten seien bei Unfällen mit Personenschaden dieser Altersgruppe zuzuordnen. In Deutschland gibt es bisher keine Altersgrenze fürs Autofahren und auch keine verpflichtenden Gesundheitstests für ältere Autofahrer.