Zum vierten Mal befasst sich derzeit ein Gericht in München mit Gewaltvorwürfen gegen Jérôme Boateng. Nun ist ein Ende in Sicht.
Im Prozess gegen den früheren Fußball-Nationalspieler Jérôme Boateng fordert die Staatsanwaltschaft eine Geldstrafe in Höhe von 1,12 Millionen Euro für den 35-Jährigen. „Für mich steht der Sachverhalt so fest“, sagte die Staatsanwältin in ihrem Schlussplädoyer vor dem Landgericht München I. Sie sprach sich für eine Geldstrafe von 160 Tagessätzen zu 7000 Euro aus. Die Anwältin von Boatengs Ex-Freundin, die ihm Gewalt vorwirft, sagte: „Es ist ein echter David-gegen-Goliath-Kampf.“ Boateng zeige „kein Unrechtsbewusstsein“.
Boatengs Verteidigung forderte höchstens eine „moderate Geldstrafe“ wegen fahrlässiger Körperverletzung oder die Einstellung des Verfahrens gegen eine Geldauflage. Die Höhe stellte Boatengs Anwalt ins Ermessen des Gerichts. Er sprach von einem „erfundenen Narrativ des Frauenschlägers“, einer „für beide Seiten erwartbaren Rangelei“ und wechselseitiger Körperverletzung. Boateng habe seine Ex-Freundin weggestoßen, sie ihn an der Lippe verletzt.
Boateng: „Ich bin auch müde“
Boateng selbst sprach in seinem letzten Wort vor Gericht von einem Fehler. Er bedankte sich beim Gericht dafür, dass es sich „ein Gesamtbild“ von der Situation gemacht habe. Er habe lange geschwiegen, sich aber nun auch mal verteidigen müssen. Er könne noch weiter ausholen – „aber ich bin auch müde und möchte das nicht“. Er schloss mit dem Satz: „In erster Linie möchte ich mich bei meinen Kindern entschuldigen und ich danke ihnen.“
Langwieriges Verfahren
Im Zentrum des Verfahrens stehen Gewaltvorwürfe von Boatengs Ex-Freundin in einem gemeinsamen Karibikurlaub. Das entsprechende Verfahren gegen den langjährigen Verteidiger des FC Bayern München, der gerade vom italienischen Club US Salernitana zum Linzer ASK in Österreich wechselte, zieht sich lange hin. Das Amtsgericht München hatte bereits im Jahr 2021 eine Geldstrafe gegen Boateng verhängt: 60 Tagessätze zu je 30.000 Euro, also insgesamt 1,8 Millionen Euro.
Das Landgericht München I verurteilte Boateng dann im Oktober 2022 in zweiter Instanz wegen Körperverletzung und Beleidigung zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 10.000 Euro – insgesamt 1,2 Millionen Euro. Doch das Bayerische Oberste Landesgericht kassierte das Urteil wegen durchgehender Rechtsfehler.
Vorwurf: Gewalt im Karibikurlaub
Die Anschuldigungen, um die es im Kern geht, liegen Jahre zurück: Die Ex-Freundin von Boateng wirft ihm vor, sie 2018 in einem gemeinsamen Karibikurlaub attackiert zu haben. Sie gab an, der heute 35-Jährige habe ein Windlicht und eine Kühltasche nach ihr geworfen. Später habe er sie angespuckt, an den Haaren gezogen, mit beiden Händen ins Gesicht geschlagen und ihr in den Kopf gebissen. Sie habe sich an den Glasscherben des zerbrochenen Windlichts geschnitten, Hämatome und Schürfwunden erlitten. Er habe ihr gedroht, er werde dafür sorgen, dass die gemeinsamen Kinder in ein Heim kommen, wenn sie ihn wegen des Vorfalls anzeigen sollte.
Sie habe „keinen Zweifel“ an der Glaubhaftigkeit der Angaben der Ex-Freundin, betonte die Staatsanwältin. Boatengs Schilderungen bezeichnete sie dagegen als „Schutzbehauptungen“.
Boateng hatte die Vorwürfe seiner Ex-Partnerin schon zu Beginn des neuen Verfahrens bestritten. Er gab an, sich im Karibikurlaub nur gegen einen Angriff seiner damaligen Partnerin gewehrt und sie weggeschubst zu haben. Für dieses Schubsen bat er um Entschuldigung. In seiner ausführlichen Einlassung vor Gericht sprach er von einem „Alptraum“ und bestritt die Gewaltvorwürfe.
„Miserables Beziehungsverhältnis“
Kurz vor den Plädoyers hatte ein gemeinsamer Bekannter von Boateng und dessen Ex-Freundin ausgesagt und die Beziehung der beiden als emotional aufgeladen und außerordentlich schwierig beschrieben. Er schilderte auch einen Vorfall, bei dem die Ex-Partnerin Boateng ins Gesicht getreten haben und später dann selbst gestürzt sein soll.
Die beiden hätten „ein miserables Beziehungsverhältnis“ gehabt, sagte der Mann. „Beide waren nicht geeignet, eine Beziehung zu führen.“ Gerade mit Blick auf die Zwillingstöchter sei das eine furchtbare Entwicklung. „Ich finde es eine Schande, dass es so weit gekommen ist“, betonte er und bekam dafür Zustimmung von Richterin Susanne Hemmerich: „Ich auch.“ Das Urteil soll nun am Freitag kommender Woche fallen.