Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat aus den eigenen Reihen Respekt für ihre Ankündigung erhalten, bei der kommenden Bundestagswahl nicht erneut als Kanzlerkandidatin anzutreten. So äußerten etwa die Parteichefs Ricarda Lang und Omid Nouripour sowie Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir am Donnerstag Lob und Anerkennung. Nach ihrer überraschenden Verzichtserklärung vom Mittwochabend richten sich die Augen nun auf Vizekanzler Robert Habeck. Dieser hielt sich jedoch zunächst bedeckt, was eine eigene Kanzlerkandidatur 2025 angeht.
Parteichefin Lang schrieb bei X: „So kennen und schätzen wir Annalena Baerbock: Verantwortung fürs Ganze und eine Teamspielerin.“ Lang betonte: „Eine Außenministerin wie sie wird im Moment so sehr gebraucht wie vielleicht noch nie.“ Kaum jemand verkörpere aktive europäische Außenpolitik so wie Baerbock, schrieb Parteichef Omid Nouripour auf X. „Dank ihr ist Deutschland ein verlässlicher Partner in der Welt.“ Özdemir sagte den Ippen-Zeitungen: „Es nötigt mir Respekt ab.“
Baerbock hatte ihren Verzicht mit den Anforderungen ihres Ministeramts begründet. „Statt in einer Kanzlerkandidatur gebunden zu sein“, wolle sie angesichts der internationalen Krisen ihre Kraft „weiterhin voll und ganz“ ihrer aktuellen Aufgabe widmen, sagte sie in einem Interview mit dem US-Nachrichtensender CNN.
„Die Welt ist offensichtlich eine ganz andere als zur letzten Bundestagswahl„, fügte Baerbock in dem Interview am Rande des Nato-Gipfels in Washington hinzu. „Im Lichte des russischen Angriffskriegs und nun auch der dramatischen Lage im Nahen Osten braucht es nicht weniger, sondern mehr Diplomatie“, sagte sie.
Baerbocks Ankündigung könnte den Weg für einen Kanzlerkandidaten Habeck freimachen. Dieser wusste eigenen Angaben zufolge vorab von der Entscheidung seiner Partei- und Kabinettskollegin. „Annalena Baerbock und ich haben dauernd Kontakt. Ich bin nicht überrascht worden“, sagte Habeck der „Neuen Westfälischen“. Als neuer Kandidat der Grünen fürs Kanzleramt sieht sich Habeck aber noch nicht. „Sie sprechen mit dem Wirtschafts- und Klimaschutzminister“, antwortete Habeck auf eine entsprechende Frage.
Unklar ist noch, ob die Grünen überhaupt einen Kanzlerkandidaten oder eine Kanzlerkandidatin aufstellen werden. Baerbock betonte am Donnerstag, die Frage zusammen mit Habeck gemeinschaftlich klären zu wollen. Jüngsten Umfragen zufolge liegen die Grünen bei elf bis 13 Prozent und damit meist auf Platz vier hinter Union, AfD und SPD.
Vor zwei Jahren hatten die Grünen-Gremien beschlossen, eine Urwahl durch die Mitglieder abzuhalten, wenn es zwei oder mehr aussichtsreiche Anwärter auf die Kanzlerkandidatur geben sollte. 2021 hatten die damaligen Grünen-Chefs Baerbock und Habeck die Entscheidung unter sich ausgemacht. Habeck hatte Baerbock damals die Kandidatur überlassen – machte aber keinen Hehl daraus, dass er selbst gerne Kanzlerkandidat geworden wäre. Bei der Wahl landeten die Grünen mit einem Stimmenanteil von 14,8 Prozent hinter SPD und Union.
Eine Vorfestlegung auf einen Kanzlerkandidaten Habeck vermieden Spitzengrüne am Donnerstag. „Er muss für sich selber entscheiden, ob er das möchte – aber ich traue ihm sehr viel zu“, sagte Fraktionschefin Katharina Dröge den Sendern RTL und ntv. Die Frage werde nun zunächst die Gremien beschäftigen.
Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Sven-Christian Kindler äußerte im Deutschlandfunk die Erwartung, „dass Robert Habeck eine extrem wichtige Rolle für uns im Wahlkampf spielen wird“. Die Entscheidung werde aber in den Parteigremien gefällt, sagte auch er. „Wir brauchen Teamplay.“
Etwas skeptischer äußerte sich in der „Rheinischen Post“ der Grünen-Bundestagsabgeordnete Felix Banaszak: Habeck müsse für eine Kanzlerkandidatur „unter Beweis stellen, dass er die Partei in ihrer Breite mitnehmen kann und will“, sagte er.
Für Minister Özdemir dagegen ist mit der Entscheidung klar: „Robert Habeck ist das Gesicht der Grünen im nächsten Bundestagswahlkampf.“ Er werde „alles tun, ihn tatkräftig dabei zu unterstützen, damit es ein starkes Wahlergebnis wird“.